Verschiedene IT-Experten greifen die Pläne von Familienministerin Ursula von der Leyen an. Die Ministerin will kinderpornografische Inhalte im Internet per Filter sperren lassen. Wie das Handelsblatt Online berichtet, erachten die Fachleute des c‘t Magazins oder des Chaos Computer Club (CCC) die geplanten Internetfilter als ineffektiv und die Zahlen, die zur Begründung der Maßnahmen herangezogen werden, für falsch interpretiert.
In einem wirklich weitschweifig erzählten Video bei youtube, erfährt man in 27 Sekunden, wie man die geplanten Sperren umgehen kann. Offenbar setzt also der geplante Filter auf DNS-Ebene an: Jeder Rechner im Netz hat eine IP-Adresse – eine Art Telefonnummer. Ruft man eine Internetadressen (z.B. www.example.com) auf, wird ein Domain Name Server (DNS) gefragt, welche Telefonnummer sind hinter dieser Adresse verbirgt und dann entsprechend weitergeleitet. Stellt man in den Netzwerkeinstellungen des heimischen Rechners keinen DNS selbst ein, wird der Standard-DNS des Internet-Anbieters benutzt. Der Filter sieht nun vor, bestimmte Adressen nicht auf die korrekten IP-Adressen weiterzuleiten, sondern auf eine Stop-Seite. Wer das umgehen will, stellt einfach einen freien DNS ein.
Da echte Fans von Kinderpornografie ohnehin sehr vorsichtig im Netz sein werden und ganz andere Maßnahmen ergreifen, sollte diese Sperre keine Hürde sein. Das ist so als hätte man in den 70ern den Eintrag von Ulrike Meinhof aus dem Telefonbuch gelöscht, um gegen die RAF vorzugehen.
Woher kommen die Zahlen?
Frau von der Leyen betont immer wieder, dass es sich bei Kinderpornografie um eine „riesen Industrie“ handele – Wie groß soll das sein? So groß, dass man die Industrie stützen muss, wenn sie in finanzielle Schwierigkeiten kommt? Die Experten bezweifeln auch dies stark.
Jörg Tauss, der Bundestagsabgeordnete gegen den zur Zeit wegen des Besitzes von Kinderpornografie ermittelt wird – der hat ja zugegeben, in der Szene recherchiert zu haben. Und er stellt klar, dass die Wege an einschlägiges Material nicht so einfach aus dem Netz zu ziehen sei. Er habe aber auch nach monatelanger Recherche keinen Kontakt zu den immer wieder genannten „Kinderschänderringen“ bekommen.
Mal abgesehen davon, ist es schon schwer genug ist, für die eigene Website verlässliche Zugriffszahlen zu bekommen – Woher kennt die Ministerin die Zugriffszahlen von diesen fremden Sites?
Cui bono?
Die Liste der zu filternden Internetseiten soll vom BKA erstellt werden und darf natürlich nicht veröffentlicht werden. Die Polizei entscheidet also, welche Internetseiten abgerufen werden dürfen und welche nicht. Die öffentlich gewordenen Filterlisten aus anderen Länder zeigten, dass nicht nur kinderpornografische Seiten sondern auch politische oder vollkommen unauffällige Seiten auf der Liste standen.
Da die Filter, so wie geplant, relativ unwirksam sein werden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis hier „Nachbesserungsbedarf“ entsteht. Es könnte also eine Zensurinfrastruktur aufgebaut werden, die sich letztlich auch gegen rechtsradikale Internetseiten oder Urheberrechtsverstöße richtet. Statt die Probleme bei der Wurzel zu packen, werden sie lieber oberflächlich überdeckt.
Termine
Protestkundgebung gegen Internetsperren in einer freien Gesellschaft.
Am Freitag, den 17. April 2009
Zwischen 9 Uhr und 9:30 Uhr
Vor dem Presse- & Besucherzentrum der Bundesregierung (Bundespressekonferenz)
Reichstagufer 14 | U+S‑Bhf. Berlin-Friedrichstraße
Links
- Experten greifen von der Leyen an, handelsblatt.com
- Familienministerin: Mehrheit der großen Provider macht mit bei Kinderporno-Sperren, heise.de
- Verschleierungstaktik: Die Argumente für Kinderporno-Sperren laufen ins Leere, c‘t
- Die Legende von der Kinderpornoindustrie, lawblog.de
- Am kommenden Freitag 17.04.2009 beginnt die illegale Zensur in Deutschland, meinungsbildung.de
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