In einer weiteren Runde des Kampfes der Musikindustrie gegen ihre Kunden, wollen die deutschen Phonoverbände jeden Monat 1000 Menschen kostenpflichtig abmahnen, die Musik aus illegalen Quellen bezogen haben. Wie immer begründet die Musikindustrie dieses Vorgehen mit den rückgängigen Verkaufzahlen im Bereich der CD und lässt andere Gründe als die sogenannten Raubkopien vollkommen außer acht. Und Strategien für eine Rückgewinnung der Kunden gibt es schon gar nicht. Stattdessen verbarrikadiert sich die Industrie mit ihren Produkten hinter immer höheren Mauern wie dem Digital Right Management, mit dem dem Kunden vorgeschrieben wird, wie er die Musik zu hören hat.Die digitale Revolution und die Ausbreitung des Internets hätte für die Musikindistrie eine riesen Chance sein können. Aber sie hat so ziemlich alles falsch gemacht, was sie falsch machen konnte: Auf der einen Seite waren CDs immer zu teuer und viele Kunden haben nicht verstanden, warum die gleiche Musik auf einer Silberscheibe teurer sein muss als auf einer größeren schwarzen.
Dann hat die Industrie angefangen ihre Musik zu verschleudern – auf Gratis-CDs, die eine zeitlang jeder Zeitschrift beilagen. Gleichzeitig wurden die Radiosender gleichgeschaltet und der Kunde konnte sich schon im kostenlosen Radio an der einzigen Musik tothören, die er überhaupt noch kennenlernte. Dann wurde das Kopieren von CDs günstiger als der reguläre Erwerb. Reaktion? Strategie? Keine. CDs wurden nicht günstiger und sie boten auch keinen Mehrwert gegenüber der gebrannten CD. Stattdessen wurden CDs mit schlechten „Multimedia-Extras“ bestückt, die allzuleichtes kopieren der Musik verhindern sollten.
Im weiteren gewannen andere Angebote gegenüber der Musik für die Jugend an Attraktivität: Mobiltelefone zum Beispiel. Musik hat für die Jugend offenbar auch nicht mehr so einen starken Abgrenzungseffekt gegenüber den Erwachsenen, die selbst wiederum versuchen die Musik der Jugend zu verstehen.
Dann kam Napster und jeder konnte jedes beliebige Lied so schnell haben, wie es seine Leitung hergab. Nun gut. Ich kann verstehen, dass die Musikindustrie (MI) etwas degegen hatte, dass eine andere Firma etwas mit ihren Produkten verdient. Das konnte so nicht gut gehen. Jedoch abgesehen von juristischen Reflex gab es keine Reaktion von der Industrie. Einzige Idee: Man bietet das gleiche wie Napster, nur mit Bezahlung.
In Zukunft möchte die MI sich gerne den Umweg über Strafanzeigen für illegale Downloader sparen und zivilrechtlich vorgehen können. Wenn aber gleichzeitig die Abmahngebühr für solche Massenfälle auf 50€ begrenzt wird, stellt sich die Frage, ob man nicht lieber flexible und komfortable Flatrates einführen könnte.
99 Cent für ein Lied, dass das vielleicht im betrunkenen Kopf lustig fand und es dann nie wieder hört, ist doch zu viel Geld. Es gibt eine natürlich Beschränkung beim Menschen: Er kann zwar unendlich viele Musikstücke besitzen, er kann aber nur eines zur Zeit hören. Wir wäre es also mit einer Flatrate für Musikstücke, die man direkt von den Server der MI abspielen kann? Dann kann man sich auch das komplizierte DRM-Gedöhns sparen, dass die Kunden auch nur zwingt, die digitalen Daten nicht so flexibel zu nutzen, wie es eigentlich möglich wäre. Dank entsprechender Übertragungsraten auch im mobilen Bereich, sollte das doch kein Problem sein. Und die MI hätte plötzlich wieder eine bessere Beziehung zu ihren Kunden.
Eine ähnliche Entwicklung gab es ja im Bereich der Datenfernübertragung – wie das Internet früher hieß. Die Post hatte ein Monopol auf Datendienste über die Telefonleitung und verbot den Kunden alles, was sie nicht ausdrücklich erlaubte. Auch damals gab es technisch interessierte Menschen, die sich darum nicht kümmerten und die quasi die Vorhut des Internets in Deutschland waren. Heute gibt es eine Vielzahl Anbieter und das Internet ist natürliches Instrument für Millionen geworden. Juristisches Vorgehen gegen Menschen, die das falsche Modem betrieben um ein bißchen mehr Geschwindigkeit aus ihrer Telefonleitung zu kitzeln, wirken heute nur noch lächerlich.
Aber auch im Telekommunikationssektor war die Änderung keine Folge des Umdenkens der Industrie, sondern des politischen Drucks. Die Politik wird aber nicht auf Dauer untätig zusehen, wie die MI die ohnehin stark belasteten Staatsanwaltschaften mit ihren Massenklagen beschäftigen.
Links:
Musikindustrie verteidigt geplante Massenanzeigen gegen P2P-Nutzer
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