Nach „Gestatten: Elite“ geht es in Julia Friedrichs zweitem Buch um das andere Ende der Gesellschaft: Um die Abgehängten, die Ausgestoßenen, die Verlierer. Eine Bilanz nach drei Jahren Hartz IV.
Als Peter Hartz damals seine Pläne für den Umbau des Sozialsystems an den damaligen Kanzler Schröder übergab, bezeichnete er den Tag, als schönen Tag für alle Arbeitslosen. Zu dieser Zeit entschlossen sich auch Julia Friedrichs und ihre Mitautoren Eva Müller und Boris Baumholt, hinter die Zahlen zu schauen. Sie wollten die Betroffenen besuchen, mit ihnen sprechen und sehen, was sie bewegt. Herausgekommen ist dabei eine packende Reportage, die das abstrakte Bild von „den Arbeitslosen“ auflöst und wahre Schicksale erahnen lässt.
Da sind die Schüler der Fröbelschule in Wattenscheid. Die Schule wurde bekannt als die „Hartz IV Schule“, weil der Rektor beschloss, seine Schüler auf ihre Zukunft vorzubereiten. In dem Fall der Förderschüler bedeutete das: „Wie komm ich mit Hartz IV klar?“ und „Wie bekomm ich mein arbeitsloses Leben sinnvoll rum?“.
Die Schüler, die auf eine Förderschule wie die Fröbelschule kommen, erfahren zum Teil ab der ersten Klasse, dass sie nie „etwas“ sein werden. Sie werden nie einen Job haben, sich nie hocharbeiten und nie ein Haus oder ein Auto haben.
Leicht lässt es sich über „die Arbeitslosen“ reden, wenn sie kein Gesicht und keine Geschichte haben. Wenn man nur das schmuddelige Pärchen auf dem Apricot-Sofa in der RTL-“Doku-Soap“ sieht. Dort dürfen sie die Assi-Familie miemen, den die biedere Hausfrau oder die allwissende Erzieherin den Marsch bläst.
In „Deutschland Dritter Klasse“ bekommen sie eine Geschichte. Eine Geschichte von Rückschlägen und von Chancenlosigkeit. Die Autor überlassen aber die meisten Schlüsse dem Leser und bei dem entsteht der Eindruck, dass hier etwas gehörig schief läuft. Und das was das schiefläuft hat wenig zu tun mit Hartz IV Regelsätzen, mit 50 Euro mehr oder weniger. Es geht darum, dass hunderttausende Deutsche am Rande der Gesellschaft leben. Sie haben keine Möglichkeit einer respektierten Tätigkeit nachzugehen. Dabei ist dieses Schicksal sicher härter als jeder 40 Stunden-Job.
Julia Friedrichs und ihre Mitautoren besuchen über Jahre immer wieder verschiedene Familien in Ost und West, eine Geschichte von Aufstieg können sie nicht erzählen. Ein einziger Erfolg geht direkt auf ihre Reportage zurück – eine der Fröbelschülerinnen bekommt nach einem Fernsehbericht ein Angebot für eine Ausbildung. Alle anderen, um die es in dem Buch geht, sind am Ende schlimmer dran als zu Anfang.
Auch wenn die drei Autoren ihre Arbeit schon vor einige Jahren begannen, kommt das „Deutschland Dritter Klasse“ zur rechten Zeit, wenn es im Zuge der Wirtschaftskrise jetzt darum geht, den Gesellschaftsvertrag neu zu verhandeln.
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