In seinem ZEIT Artikel „Das Netz als Feind“ beklagt Adam Soboczynski die Bildungsfeindlichkeit des Internets: Intellektuelle, die in Zeitungen immer noch eine geschützte Nische hatten, wären jetzt im Internet dem Diktat der Klicks ausgesetzt: Wer nicht geklickt wird, findet nicht statt. Und nur wer dem Pöbel nach dem Maul schreibe, würde wahrgenommen. Das denkt Gero von Randow nicht und kontert: „Nicht alles im Internet ist schön – na und?“
Ich denke, was Herr Soboczynski übersieht und was auch Herr von Randow nicht anspricht: Das Internet ist ein Medium, dass viel komplexere Kommunikation zulässt als Zeitungen. Im Internet lassen sich eine ganze Menge natürlicher Kommunikationsformen abbilden: Hochgeistigest, aber auch Unterhaltung, Klatsch, Tratsch, Flirten, Wetter – und das Stammtischgespräch: Wer früher in der Kneipe über „die da oben“ polterte, kann das heute in seinem Blog machen. Lesen werden auch das im Wesentlichen nur die Leute, die ihm sonst auch in der Kneipe schon zugehört hätten. Anders ist heute aber, dass auch Herr Soboczynski das jetzt nachlesen kann – wenn er danach sucht.
Wenn Herr Soboczynski seinen Lesestoff im Internet nur per Suchmaschine findet, dann ist er vielleicht einfach nur kein besonders versierter Internetnutzer. Es gibt durchaus die Möglichkeit nicht nur gezielt Informationen zu finden. Ich kann auch im Netz die gesammelten Werke eines Autors oder eines Blogs abonnieren. Da interessiert mich dann auch nicht alles, und ich werde sogar ab und zu mit Unerhörtem konfrontiert.
Und wenn ich dann, wie hier auf einen Artikel bei Zeit-Online antworte, wird das mitnichten von meinen Lesern mit den gleichen Augen gelesen, wie der Originalartikel. Leser können das differenzieren.
Internet als Chance für Intellektuelle
Herr Soboczynski sollte sich vielmehr den Chancen der Veröffentlichung im Internet zuwenden: Die ZEIT wird von ein paar tausend Menschen gelesen und sein Artikel dort von ein paar Huntert – und wenn die Woche rum ist, schmeißen ein paar tausend Menschen die Zeitung weg und wer dann den Artikel nicht gelesen hat, wird ihn nie mehr lesen.
Im Internet können Artikel „wachsen“. Ich bin zum Beispiel kein ZEIT-Abonnent und habe den Artikel trotzdem gelesen und jetzt sogar noch weiterempfohlen. …Aber das wäre dann vielleicht wieder das Diktat des Klicks. Ein guter Feuilletonartikel sollte vielleicht gar nicht so oft gelesen werden. Sonst können sich die Leser ja nicht mehr als verschworener Zirkel von „Geistesaristrokraten“ fühlen.
Links
- Das Netz als Feind, DIE ZEIT, 20.05.2009 Nr. 22
- Geistesaristokratie, DIE ZEIT, 28.05.2009 Nr. 23
Foto: jamesyu, Creative Commons
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