Am Wochenende fand das zweite BarCamp in Hamburg statt und aus ganz Deutschland reiste die Web‑2.0 Szene an – eine ganze Menge Leute, die ich bisher nur aus Blogs und Podcasts kannte, Start-Ups, Unternehmer, Enthusiasten und alle mit dem Ziel, sich gegenseitig ein interessantes Wochenende zu gestalten. Ein BarCamp ist nämlich eine UnKonferenz und bei einer UnKonferenz gibt eine keine Zuschauer – nur Teilnehmer.
Das BarCamp fand in den Räumen des Hauptsponsors „Otto“ in Hamburg Wandsbek statt. Hier gab es Samstag morgens erst einmal ein ordentliches Frühstück – ab halb 11 wurden dann die Sessions des Tages geplant: Jeder der ein Angebot machen wollte, stellte seine Idee für einen Vortrag oder eine Diskussion in 2 – 3 Sätzen auf der Bühne des Hauptraumes vor und suchte sich dann einen Raum und einen Zeit-Slot auf dem Session-Board. Jede Session sollte eine halbe Stunde dauern mit einem Puffer von 30 Minute, bis zum Beginn der nächsten Session. Und so manche Diskussion nutzte diesen Spielraum voll aus.
Screencasting
Meine erste Session drehte sich um das Thema „Screencasting“. Andreas Pilz von learn2use.de stellte seine Erfahrungen mit diesem Thema in einem der kleineren – dafür wie so oft überfüllten – Räume vor: Gute Planung und ein ordentliches Drehbuch sind wichtig, ein guter Sprecher und die richtige Software. In diesem Fall war seine eindeutige Empfehlung: Camtasia Studio. Das ist wohl mit Abstand das beste Tool für Screencasts.
Andreas gab auch den Tipp, möglichst einen eigenen Account auf dem Rechner für Screencasts anzulegen, damit während der Aufnahme keine Instant Messenger aufpoppen oder Verzeichnisse mit Urlaubsbildern stören.
Seiner Erfahrung nach, benötigt man für eine Minute professionellem Screencasts etwa 5 Stunden Arbeit – inklusive Kundengespräche, Schneiden, und Nachbearbeiten.
Die Zukunft des Bloggens
In einem ebenfalls zu kleinen Raum ging es dann um die Zukunft des Bloggen – und schon hier wurde klar: Twitter ist mehr als nur einer der üblichen Hypes. Obwohl es ums Bloggen gehen sollte, kam immer wieder das Thema Microblogging in Form von Twitter auf.
Das ist vermutlich auch eine der wichtigeren Erkenntnisse des BarCamps: Am Microblogging kommt man nicht vorbei: Neben den 2 Twitter-Walls gab es mehrere Sessions zu Microblogging im Unternehmen, Microblogging aus dem Unternehmen und nebenher twitterten alle fröhlich. Und fast als deutlichstes Zeichen, dass Twitter etwas besonderes ist, schreiben viele Teilnehmer ihre Twitter-Namen unaufgefordert auf die Stoff-Tischdecken in der Lounge.
Internationalisierung von Websites
Zwei Mitarbeiter von Gruner + Jahr stellten dann ihre Strategie bei der Einführung von Webansgeboten in anderen Länder vor. Als Beispiel diente das internationale Angebit von eltern.de – Alle Artikel der deutschen Redaktion liegen in einer Datenbank ihrer „White Label Community Platform“ zusammen mit Abstracts in den verschiedenen Sprachen. Erst wenn dann zum Beispiel die spanische Website einen solchen Artikel haben will, wird er komplett übersetzt.
Auch technisch ist der Ansatz ein zentralistischer: G+J sucht sich Projektpartner vor Ort und stellt ihnen den Zugang zur White Label Community Platform und eine eigene Präsenz mit EZPublish zur Verfügung. An dieser Präsenz können die Ländergruppen nur das Layout per CSS ändern. Funktionale Änderungen müssen immer bei der Zentrale angefordert werden. Das verlangsamt den Anpassungsprozeß, ermöglicht aber eine bessere Übersicht.
Interessant war die Erkenntnis, dass Babys sich generell nicht unterscheiden. Es ging dabei um eine zentrale Bilderdatenbank und es war schwierig, schwangere Frauen, Paare und Babys eindeutig Ländern zuzuordnen. Eine Tatsache, die offenbar nicht nur das Publikum erstaunte, sondern auch bei den Ländergruppen einige Überzeugungsarbeit gekostet hat.
Ein Teilnehmer von Mixxt steuerte den Tipp bei, den Ländergruppen zwar nicht zu viel Freiheiten zu geben, aber ihnen den Austausch zu ermöglichen. Dazu gehörte bei Mixxt wohl auch, dass jeder Mitarbeiter zweimal am Tag twittern müsse – so wie man sich in einer normalen Firma auch mindestens zweimal am Tag begegnen würde: Mittags in der Kantine und zum Feierabend.
Innovation durch Urheberrecht
Auch hier war der Raum wieder viel zu klein und ich habe nur einige Minuten von der Tür aus zugehört, wie jemand von ciiju.de deren legaler Musik-Sharing-Community vorstellte. Ich hatte dann aber keine Lust mehr zu stehen und habe mir eine Auszeit genommen.
Computer Fachbücher schreiben
Der Vortrag von Carsten Möhrke sollte jedem, der mit dem Gedanken gespielt hat, ein Fachbuch zu einem Computerthema zu schreiben, in den Kaffee gespuckt haben: Es ist ein Höllenjob für wenig Geld. Wenn man danach nicht jede Menge Geld extra durch höhere Consulting-Preise und bezahlte Vorträge in Aussicht hat, sollte tunlichst die Finger davon lassen.
Wer es aber dennoch tun will, sollte sich überlegen welcher Verlag am besten passt und einfach mal dort anrufen. Die Verlage haben offenbar ein gutes System, die Autoren zu führen.
Der Selbstverlag bringt weniger Renommee und wer sich nicht selbst um den Vertrieb kümmert, wird damit auch noch weniger verdienen.
Katzencontent
Auf vielfachen Tipp, bin ich dann zur Session über Katzencontent gegangen. Das war die Session der anderen Art. Sven Dietrich erklärte:
„Das Internet besteht zu 75% aus Katzenbildern, 20% komischen Geschichten um andere damit zu beeindrucken, 3% Porno und 2% nützlichen Informationen.“
Die folgenden 30 Minuten waren eine grandios-lustige Reise durch die Geschichte des Katzencontents. Ich war schon auf Comedy-Veranstaltungen, auf denen ich weniger gelacht habe. Schön, dass auch für so etwas Platz auf einem BarCamp ist – so viel Platz sogar, dass Sven den größten Raum füllen konnte.
Wikis im Einsatz
Die Session zu Wikis im Einsatz ging ein wenig in technischen Problemen unter. Wir haben dann einfach über die Vor- und Nachteile verschiedener Systeme, unsere Erfahrungen in bestimmten Einsatzfällen berichtet und uns gegenseitig Tipp gegeben.
Powerpoint Karaoke
Zum Abschluss des Samstags gabs Jever und Powerpoint Karaoke – Bei der Powerpoint Karaoke bekommt man eine zufällig aus dem Internet heruntergeladene Powerpoint Präsentation zugeteilt und soll dann unter Zeitdruck und idealerweise Alkoholeinfluß einen Impulsvortrag dazu halten. Am besten klappte das bei Malte zum Thema „Science Fiction Filme der 50er Jahre“ – auch wenn er nicht alle 116 Folien durchhielt, schaffte er es die Geschichte eines typischen StartUps mit der Science-Fiction-Metapher zu erläutern.
Sonntag
Auch der Sonntag begann mit Frühstück und dann mit der Vorstellung der Sessions – die insgesamt fast noch interessanter waren als am Samstag.
Conversion Steigerung
Meinen Einstieg hatte ich bei „Conversion Steigerung“ – 2 Mitarbeiter vom Baur Versand erklärten, wie sie verschiedene Versionen des Shop testen und Veränderungen im Bestellverhalten analysieren. Ich habe dabei einige Begriffe aufgeschnappt, die ich in nächster Zeit mal recherchieren werde. (Folien, .pdf)
It‘s the People Stupid!
Der Untertitel dieser Verstaltung lautete: „Warum das Web für Unternehmen ein dunkler Wald ist.“ (Ein Spaßvogel erweiterte das Thema auf: „Warum das Web für Unternehmen ein dunklerWald mit Katzen ist.“) Dabei ging es im weitesten Sinne darum, dass viele Unternehmen noch nicht verstanden haben, was das Internet wirklich ist und es nicht akzeptieren können, dass dort über sie in unkontrollierter Form öffentlich gesprochen wird.
Vor allem nutzt das kaum ein Unternehmen für sich: Was heute „Virales Marketing“ heißt, war früher Mundpropaganda und viele Unternehmen verwechseln das Herumschicken von lustigen Werbeclips mit viralem Marketing oder gar mit Kundenkommunkation.
Während früher der Bäcker an der Ecke aus persönlichen Gesprächen mit seinen Kunden eine ganze Menge über sie wußte und seinen Service dann darauf ausrichten konnte, haben heute viele – gerade große – Unternehmen das Problem, dass sie nicht mit ihren Kunden reden: Sie sprechen zu ihnen. Und das funktioniert genauso wenig, wie man auch nicht „zu“ jemandem Fußball spielen kann, sondern nur „mit“ ihm. Eindrucksvoll bewiesen wurde diese These in der Session von T‑Mobile: Hier hat das Unternehmen zugelassen, dass einzelne Kunde mit ihm spricht. Und hat dort mal den ehrlichen Sound der Straße auf die Ohren bekommen.
Microblogging im Unternehmen
Hier gab es interessante Einblicke in den Umgang mit Microblogging zum Beispiel be Coremedia – 60% weniger E‑Mails durch ein internes Microblogging (Trillr) und Blogging zeigen IMHO deutlich das Potenzial, dass die Nutzung verschiedener Kommunikationskanäle für unterschiedliche Arten von Information hat: Wer einmal twittert: „Liebe Kollegen geduldet euch – meine Präsentation ist fast fertig.“ Wird nicht ständig angerufen oder angemailt und kann entsprechend ungestörter arbeiten, während die Kollegen beruhigt sind und wissen, dass es voran geht.
Blogging Evolution
Bei dieser Session, ging es im wesentlich kleineren Kreis darum, wie man das Blogging weiterentwickeln könnte. Benjamin Birkenhake stellte seine Ideen dazu zur Diskussion. Das war ein interessantes Brainstorming, dass nicht auf Blogging, sondern auf dass Veröffentlichen von Content allgemein genauso gut passte. Es ist ein wenig schwer, all die Ideen hier kurz zusammenzufassen. Es waren dann auch mehr Ideen-Rümpfe, denen vielleicht noch Hand und Fuß fehlte. Aber es ist immer gut ein wenig voraus zu spinnen, um auf gute Ideen zu kommen. Mir hat es sehr gut gefallen.
Tja – und dann kam die unsägliche G1-Session. Die Jungs tun mir immer noch leid.
Fazit
Hervorragende Organisiation – es fehlte an nichts. Eher im Gegenteil: das viele unglaublich leckere Essen zwischen den Sessions hat mich fast überfordert.
Tolle Sessions: Großartig zu sehen, wie sich so viele Leute aktiv in die Gestaltung des Wochenendes einbringen. Da es für mich das erste BarCamp war, habe ich mich noch etwas zurückgehalten und mich mehr in Diskussionen eingebracht. Beim nächsten Termin überlege ich mich mal ein Thema für eine kleine Runde.
Nette Leute: Ich habe einige sehr nette Leute kennengelernt, die ich vorher gar nicht, oder nur vom Blog-lesen kannte. Außerdem habe ich ungefähr 20 neue Follower bei Twitter und 3 neue Kontakte bei Xing.
Links
- Twitter Feed zum #bchh
- Session Übersicht
- BarCamp Hamburg Homepage
- Session Protokolle: Samstag / Sonntag
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