In Teil 1 und Teil 2 habe ich eigentlich das aufgeschrieben, was Uli König und ich beim BarCamp Kiel erzählt haben. Ich habe aber noch einige Texte, die ich bereits veröffentlicht habe, die in diese Reihe passen. Wenn Du also noch mehr über Landespolitik wissen willst: Heute geht es um Koalitionen.
Eine Koalition benötigt man dann, wenn keine Fraktion alleine die Mehrheit der Sitze im Landtag bekommen hat. So eine absolute Mehrheit hatte zuletzt die SPD bis zur Landtagswahl 1996. Seither regieren Koalitionen: SPD/Grüne, CDU/SPD, CDU/FDP und jetzt SPD, Grüne und SSW.
Koalitionen für die Mehrheit im Parlament
In Nordrhein-Westfalen hat es vor einiger Zeit eine Minderheitsregierung gegeben – da haben sich SPD und Grüne zwar auf eine Koalition und eine Regierung geeinigt, sie brauchten aber noch zusätzliche Stimmen aus anderen Fraktionen, um tatsächlich Hannelore Kraft zur Ministerpräsidentin zu wählen. Und dann musste die Koalition bei jedem Thema wieder versuchen zumindest einzelne Abgeordnete aus den anderen Fraktionen für ihre Position zu gewinnen. Was bei Sachthemen noch funktioniert, scheitert aber leicht an der Verteilung des Geldes. Denn mit dem Haushaltsplan werden sehr viele Dinge auf einmal festgelegt. Und dann sehen die Oppositionsfraktionen halt die Chance, die in Neuwahlen liegt. Es ist also praktisch, wenn die Koalition über eine gerne auch größere Mehrheit verfügt.
In Schleswig-Holstein ist das nach der Landtagswahl am 6. Mai 2012 so gelaufen: SPD, Grüne und SSW hatten bereits vor der Wahl angekündigt, dass sie gerne zusammenarbeiten würden – eine absolute Mehrheit hatte keine der drei Parteien erwartet. Hätte es nicht zu einer gemeinsamen Mehrheit gereicht, hätten sich die Fraktionen um eine andere Koalition kümmern müssen.
Bis am 12. Juni der Landtag den Ministerpräsidenten gewählt wurde, mussten sich die drei Parteien auf einen gemeinsamen Plan für die Zukunft des Landes einigen. Aus drei Wahlprogrammen musste ein gemeinsamer Koalitionsvertrag werden. Die Koalitionsverhandlungen führen nicht die Fraktionen – die Parteien haben sich mit ihren Programmen und ihren Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl gestellt und verhandeln deswegen auch, was wie gemeinsam umgesetzt werden kann.
Sondierungsgespräche
Zunächst beginnen die Parteien mit Sondierungsgesprächen. Dabei geht es darum zu schauen, welche fundamentalen Knackpunkte es zwischen den Programmen der Parteien gibt und in welcher Form konkret anschließend die Koalitionsverhandlungen ablaufen sollen – Organisatorisches wird geklärt. Vorgeschrieben ist das nirgends. In den Sondierungsgesprächen werden die groben Leitlinien entwickelt, die alle Koalitionspartner teilen, um gemeinsam Verantwortung für alle Bereiche der zukünftigen Regierungsarbeit zu übernehmen.
Alle Parteien haben drei Vertreterinnen oder Vertreter in die Sondierungsgespräche geschickt. Bei den Grünen waren es durch die Doppelspitze der Partei vier Personen. Die SPD war zum Beispiel vertreten durch Torsten Albig als Spitzenkandidat und zukünftiger Ministerpräsident, Ralf Stegner als SPD Landesvorsitzender und der Bundestagsabgeordnete Sönke Rix als Landesparteiratsvorsitzender.
Koalitionsverhandlungen
Nach der Einigung in den Sondierungsgesprächen und grünem Licht durch die Landesvorstände der Parteien beginnen die konkreten Koalitionsverhandlungen. Hier werden die Entscheidungen getroffen über das spätere Vorgehen der Regierung.
Jede der drei Partei hat 2012 zwölf Personen in die Koalitionsgespräche entsendet – hinzu kamen einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Parteien für Protokoll und Öffentlichkeitsarbeit. Die Personen waren nicht nur Abgeordnete, sondern auch andere Fachleute der Parteien.
Parallel zur großen Verhandlungsrunde tagten thematische Verhandlungsgruppen. Je drei Personen von jeder Partei waren dort vertreten. Und jede Partei leitete zwei der Gruppen. Die Gruppen beschäftigten sich zum Beispiel mit Wirtschaft und Verkehr oder mit Haushalt und Finanzen. Die Gruppen erarbeiteten Verhandlungsvorschläge: Sie verglichen die Positionen der Parteien zu bestimmten Themen, überlegten sich Kompromisse oder gemeinsame Positionen, beschrieben mögliche Knackpunkte und deren Lösungen, die dann in die eigentlichen Koalitionsverhandlungen einflossen.
Der Auftakt der Koalitionsverhandlungen ist am 16. Mai 2012 gewesen. Verhandelt wurde bis zum 3. Juni 2012. Paraphiert – von den Verhandlungsführern unterschrieben – wurde der Koalitionsvertrag am 3. Juni. Danach hatten alle drei Parteien Landesparteitage, auf denen der Koalitionsvertrag diskutiert wurde. Da Änderungen allerdings nicht mehr möglich sind – das wäre dann zu komplex – konnten die Delegierten nur zustimmen oder ablehnen. Als alle Landesparteitag zugestimmten hatten, wurde am 11. Juni 2012 der Vertrag dann endgültig unterschrieben.
Einbindung der Parteien
Die Parteien hatten zu jeder der thematischen Gruppen eine eigene Gruppe, an der viele Mitglieder – zum Beispiel aus den Arbeitsgemeinschaften oder der Kommunalpolitik – teilnehmen konnten. Die Vertreterinnen und Vertreter aus den Koalitions-Arbeitsgruppen leiteten diese parteiinternen Gruppen – sie berichteten aus den Koalitionsgesprächen und trugen die Ideen der Parteigruppe wieder zurück in die Koalitionsverhandlungen. Grundlage dazu ist natürlich immer das Wahlprogramm der Partei gewesen, das ja ebenfalls von Landesparteitagen vor der Wahl beschlossen worden war.
Wahl des Ministerpräsidenten
Am 5. Juni 2012 fand die konstiuierende Sitzung des Landtages statt. Dort wurden die Abgeordneten vereidigt und der Landtagspräsident gewählt (Siehe Teil 2). Am 12. Juni 2012 wählte der neue Landtag den Ministerpräsidenten und der stellte dann seine Ministerinnen und Minister vor.
Den aktuellen Koalitionsvertrag findest Du auf den Homepages der Parteien. Zusätzlich gibt es noch einen Anhang mit nur tabellarisch aufgeführten Verhandlungsergebnissen, die nicht mehr in den Fließtext des Vertrages eingearbeitet werden konnten.
„Knatsch in der Koalition“
Obwohl der Koalitionsvertrag eine Menge Themen regelt, ist er nur eine Leitlinie. Viele Themen müssen in der Arbeit von Regierung und Parlament konkretisiert werden. Und da das immer wieder dazu führt, dass in Detailfragen sich schon innerhalb der Fraktionen nicht gleich alle einig sind, müssen sich die Beteiligten immer wieder untereinander abstimmen. Die Fraktionen klären ihre Positionen in den Fraktionssitzungen und sicher auch auf dem „kurzen Dienstweg“. Es gibt aber auch einen regelmäßigen „Koalitionsausschuss“, den die Parteien organisieren, um sich über das weitere Vorgehen zu einigen.
Der Koalitionsvertrag ist kein Vertrag im juristischen Sinn – niemand kann vor Gericht irgend etwas einklagen und wenn sich die Beteiligten einig werden, können sie auch davon abweichen. Das ist aber etwas riskant, denn wenn eine Seite ein Thema neu verhandeln will, dann könnte es leicht passieren, dass auch die anderen Partner das wollen und dann wird es kompliziert. Das war zum Beispiel einer der Gründe, warum die Große Koalition in Schleswig-Holstein 2009 gescheitert ist. Damals waren sich CDU und SPD unter anderem nicht einig darüber, wie die Kosten für die Schülerbeförderung geregelt werden sollte. Wenn der Koalitionsvertrag immer weniger Richtschnur für die gemeinsame Politik wird, dann kann es sein, dass eine Koalition am Ende platzt. Da aber gerade die Regierungsparteien in der Regel wenig von dieser Art Eskalation haben, passiert das relativ selten.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag, den ich 2012 bei der SPD Schleswig-Holstein veröffentlicht habe.
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