Wie überlässt man den Menschen die Freiheit zu entscheiden, ohne sie dabei alleine zu lassen? Damit beschäftigen sich der Wirtschaftswissenschaftler Richard Thaler und der Rechtswissenschaftler Cass Sunstein. Manchmal braucht man nur eine kleinen Schubser in die richtige Richtung – einen „Nudge“.
Der Mensch ist kein kalt kalkulierender Homo Oeconomicus. Er fällt auf allerlei Denkfehler herein – einige Fallen stellt er sich sogar selbst. Er mag keine Veränderung und er verhält sich tendenziell so, wie es alle anderen auch tun. Rolf Dobelli hat ein ganzes Buch über „52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen“ geschrieben. Wer das weiß, kann daraus ableiten, dass es wichtig ist, wie man eine Frage stellt, um eine gewünscht Antwort zu bekommen.
Im politischen Raum ist das zum Beispiel die Frage nach der Organspende. In Deutschland muss man aktiv einen Organspende-Ausweis ausfüllen. In anderen Ländern muss man der Organspende widersprechen, wenn man sie nicht will. In Deutschland entscheiden sich wenige Menschen für die Organspende. Anderswo entscheiden sich wenige dagegen.
Die Freiheit, das Falsche zu tun
„Libertären Paternalismus“ nennen Richard Thaler und Cass Sunstein diese Vorgehensweise. Man überlegt sich zunächst, welche Wahl gesellschaftlich gesehen die bessere ist. Dann entwirft man das Entscheidungsverfahren so, dass diese Wahl der Standard ist.
Das mag ein wenig nach Bevormundung klingen. Deswegen auch „Paternalismus“. Wichtig ist dabei aber, dass es auch einfach ist, sich auch anders zu entscheiden. Dann aber soll es eine bewusste Entscheidung sein. Denn klar ist: Es gibt keine neutrale Form der Entscheidung, wenn man die psychologischen Eigenschaften des Menschen kennt.
Natürlich kann man demokratisch entscheiden, dass man eine Lösung besser findet als andere und die dann bevorzugen. Im Fall der Organspende hat sich Deutschland entschieden, dass es wichtig ist, das die Menschen von alleine drauf kommen, dass die Organspende eine wichtige Sache ist. Denn wenn sie sich nicht damit befassen, sind sie auch keine Organspender.
Es gibt noch eine Zwischenlösung. Man könnte alle Menschen regelmäßig fragen, ob sie Organspender sein wollen. Zum Beispiel, wenn sie einen neuen Personalausweis beantragen. Dann ist das ein kleiner Nudge, sich mal Gedanken zu machen.
Nudging ist kein Trick
Die gleichwertige Wahlfreiheit unterscheidet das Nudging auch von den Psychotricks, die uns im Internet gerade vermehrt begegnen: Diese Cookie-Banner, die mit einem Klick ermöglichen, alle Cookies und Tracker zu akzeptieren. Wer sie aber ablehnen will, muss sich durch die Privacy-Einstellungen klicken.
Ein echtes Nudging wäre ein Cookie-Banner, das drei Knöpfe hat: „Alle annehmen“, „Alle ablehnen“, „Einstellungen“. Wer nichts anklickt, bekommt auch keine Cookies.
Aktien, Aktien, Aktien!
Man merkt in zweiten Teil des Buches, das es weitestgehend vor der Bankenkrise 2008 geschrieben wurde. Denn hier befassen sich Richard Thaler und Cass Sunstein vor allem damit, wie man mehr Menschen dazu bringen kann, mehr Geld in Aktien anzulegen. Das hat mich dann doch eher weniger interessiert. Bis dahin aber fand ich „Nudge“ interessant.
Das Buch hatte ich seit der re:publica 2015 auf der Leseliste. Damals haben Holm Friebe und Mads Pankow dort einen interessanten Vortrag zu Nudging gehalten.
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„Nudge – Wie man kluge Entscheidungen anstößt“ ist im Ullstein Verlag erschienen, hat 400 Seiten und kostet 11 Euro.
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