„Der Kommentar ‚Drecks Fotze’ bewegt sich haarscharf an der Grenze des von der Antragsstellerin noch Hinnehmbaren,“ heißt es in einem Urteil des Berliner Landgerichts. Die Grünen-Politikerin Renate Künast hatte zusammen mit dem Verein Hate Aid eine Reihe Internet-Kommentare zur Anzeige gebracht – keinen einzigen fand das Gericht beleidigend.
Die Begründungen für jeden einzelnen Fall ist immer wieder sinngemäß: Ja, harte Kritik. Da sich die aber auf einen Vorgang bezog, ist es keine Beleidigung.
Vorausgegangen war eine Debatte im Parlament, bei der Renate Künast etwas gesagt hat, was bestimmte Leute so interpretiert haben, als befürworte die Grünen-Politikerin sexuelle Gewalt gegen Kinder. Laut Urteil genügt dieser Sachbezug, damit es okay ist, sie als „Alte perverse Dreckssau“ zu bezeichnen und vorschlagen: „Knatter sie doch mal einer so richtig durch, bis sie wieder normal wird!“
Nun ist es so, dass ich aus meiner Arbeit als Community-Manager auch Kommentare kenne, die ich im direkten Gespräch auch beleidigend finden würde. Die meisten Menschen haben nicht gelernt, wie man öffentlich Kritik äußert und sie wollen wahrgenommen werden. Ich seh dann über die Beleidigung hinweg, wenn danach irgendeine inhaltliche Frage oder Kritik kommt, auf die ich eingehen kann.
Allerdings habe ich die Seite eines männlichen Politikers betreut und mir war immer klar, dass der Hass dort eine ganz andere Qualität ist, als die verbale sexualisierte Gewalt, die Frauen aushalten müssen.
Bei den Kommentare, die Renate Künast angezeigt hat, fehlt jeder Inhalt. Das ist blanke Bosheit. Ich frage mich, was noch eine Beleidigung sein soll, wenn es nicht die Bezeichnung als „Stück Scheisse“ ist. Hey, Hauptsache man achtet darauf, dass man irgendeinen inhaltlichen Aufhänger hat…
Einfach so auf der Straße darf man nicht zu jemandem „Arschloch“ sagen – aber wenn der mit dem Reifen auf dem Bürgersteig parkt schon? Ein fatales Signal für die Diskussionskultur im Netz!
„Laut einer Studie des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft trauen sich mittlerweile 54% der Internetnutzer*innen oft nicht mehr, ihre politische Meinung offen zu sagen – aus Angst selbst Opfer einer Hasskampagne zu werden.“
– Hate Aid
Gerade haben eine Reihe Frauen die Aktion „Gegen den Rollback im Netz – Digitale Gewalt geht uns alle an!“ gestartet. Sie wollen darauf aufmerksam machen, dass Frauen durch diese verbale Gewalt mundtot gemacht werden sollen. Sie fordern eine bessere Strafverfolgung, denn bisher verlaufen Anzeigen oft im Sand oder sie scheitern, wie hier, vor Gericht.
Ich hoffe, dass die nächste Instanz dieses Urteil revidiert und dass wir dieses Problem in den Griff bekommen und das Netz ein Ort wird, an dem alle Menschen miteinander diskutieren können, ohne einander zu beleidigen.
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