Boxen, Formel 1, Fechten, Turnen, Handball, Schach – gehört esport in diese Reihe? Und warum ist das überhaupt eine Frage?
Der Koalition aus CDU, Grünen und FDP in Schleswig-Holstein will den esport fördern:
„Schulen und Jugendtreffs sollen Angebote zum gemeinsamen Spielen machen, E‑Sport soll als gemeinnützig anerkannt werden, und an der Fachhochschule Westküste soll eine „Akademie“ für elektronisches Spielen entstehen. Im Landeshaushalt 2019 sind 500.000 Euro für kommunale E‑Sport-Häuser veranschlagt.“
– landtag.ltsh.de
Deswegen hat er sich heute im Innenausschuss der Landtag mit dem Thema beschäftigt und Expertinnen und Experten dazu befragt. Komischerweise scheint dabei vor allem die Frage zu faszinieren, ob esport jetzt Sport sei.
Ich finde das vollkommen irrelevant. esport begeistert die Menschen durch alle Altersgruppen. Jugendliche organisieren sich selbst den Übungs- und Ligabetrieb und die Spitzenevents locken mehr Besucher an als die Weltmeisterschaften der alten Sportarten.
esports seien gewalttätig. Der Hauptgeschäftsführer des Landessportverbandes Manfred Konitzer-Haars beklagt, dass es bei esports um die „physische Vernichtung des Gegners“ ginge. Hat der sich mal seine Boxer-Sparte angeschaut? Da ist ein Weg zum Sieg, den Gegner bewusstlos zu prügeln. Bei esports krümmen sich die Menschen kein Haar.
esports seien nicht gemeinwohlorientiert. Es mag ja sein, dass nicht jedes Computerspiel oder jede Art Spiele zu spielen gemeinwohlorientiert ist. Sich alleine durch die Laybrinthe zu ballern, ist aber auch nicht esport. Mit der Bierflasche in der Hand neben dem Grill einen Fußball hin und her zu kicken, ist auch kein Sport.
esports seien nicht Regel-autonom. Beim Fußball entscheidet der Sport selbst über die Regeln – bei Computerspielen machen die Hersteller die Regeln, kritisiert der Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).
Das dachte ich auch bisher. Ich habe mir dann erklären lassen, dass das für die meisten Spiele natürlich gilt – für die aber, aus denen wirklich esport wird, gilt das nicht. Das seien oft von der Community entwickelte Modifikationen von Computerspielen (Mods).
Außerdem kann sich natürlich die Community selbst überlegen, wie lang eine Runde ist, wie viele Punkte man bekommen muss, um zu siegen. Und natürlich kann der DOSB auch nicht festlegen, mit welcher Geschwindigkeit ein Fußball fällt.
esports machten süchtig. esports achten nicht auf den Jugendschutz usw. Das meiste, was gegen esports vorgebracht wird könnte man auch irgendwie gegen den Altsport vorbringen: Fußball zum Beispiel scheint eine unglaublich korrupte Veranstaltung zu sein. Radrennen scheinen ohne Doping gar nicht mehr zu funktionieren. Und wenn Computerspielen nur vor dem Rechnersitzen ist, dann ist Formel 1 im Auto sitzen, Reiten ist auf dem Pferd sitzen und Schwimmen ist baden. Das ist alles gleich undifferenziert und polemisch.
Mal ehrlich: esport macht Millionen Menschen Spaß und sie scheinen nichts zu vermissen. Wenn die Altsportvereine nichts damit zu tun haben wollen, dann ist das so. Ich wüsste auch nicht, welchen Gewinn esports davon hätten, wenn es eine CS:GO-Sparte beim TUS Kleckersdorf gäbe.
esport-Clans sind in der Regel überregional organisiert. Man kommt dort mit unterschiedlichsten Menschen aus verschiedenen Teilen des Landes zusammen. Ich war gerade auf der Hochzeit eines Freundes aus esports-Tagen. Ich war dort der Freund, der ihn am längsten kannte.
Ich spiel immer noch mit den Leuten, mit denen ich vor fast 20 Jahren gespielt habe. Keiner von uns hat einen größeren Dachschaden als damals.
Ich finds schön, dass esports mittlerweile immer mehr anerkannt werden. Mir ist aber total wumpe, ob das in die Welt irgendwelcher Sportfunktionäre passt oder nicht. Wenn die Politik das fördern will, fänd ich das gut. Dann ist „esports“ eben ein neues Label. Oder man nennt es Sport, ohne dass der DOSB das auch so sieht. Die haben ja kein Monopol auf den Sport. Kulturgut sind esports allemal.
Schreibe einen Kommentar