Die Kieler SPD-Ratsfraktion will den digitalen Wandel in der Stadt mitgestalten. Deswegen beschloss sie im letzten Jahr ein Positionspapier als Grundlage für weitere Diskussionen. Am 8. Feburar lädt sie deswegen zur einer Veranstaltung ein. Mir fehlt in dem Plan etwas Wichtiges. Deswegen will ich hier meinen Senf dazugeben.
Das Positionspapier der SPD-Ratsfraktion tut niemandem weh: Bildung, Wirtschaft, Teilhabe. Alle müssen mit. Wer sollte dem widersprechen? Das Positionspapier spricht ein Vielzahl Themen an und zeigt, dass sich die Ratsfraktion mit der Materie befasst hat. Es ist klar in den Fragen „Warum?“ und „Was?“. Gleichzeitig bleibt das Gefühl, dass etwas Entscheidendes in dem Text fehlt.
Warum?
Warum will die Sozialdemokratie in Kiel Dinge tun – Welche Werte sind für sie wichtig? Dazu sagt das Positionspapier, dass die Sozialdemokratie seit jeher Veränderung nicht als Naturgewalt, sondern als gestaltbaren Prozess betrachtet hat. Sie will die Digitalisierung in Kiel so gestalten, dass die „Gesellschaft dadurch gerechter, moderner und sozialer wird“.
Was?
Was will die Sozialdemokratie tun, damit die Gesellschaft durch die Digitalisierung gerechter, moderner und sozialer wird? Sie will Datenschutz und OpenData stärken, mehr Bildung für alles Digitale und die digitale Wirtschaft fördern. Sie will mehr Zugang zu Verwaltungsleistungen per Internet, mehr Breitbandanschlüsse und mehr Teilhabe an demokratischen Entscheidungen per Internet.
Toronto oder Barcelona?
Mir fehlt die Antwort auf die Fragen „Wie?“ Und zwar nicht auf die Fragen „Wie will die Sozialdemokratie das alles bezahlen?“ sondern „Wie – auf welche Art und Weise – will die Sozialdemokratie das umsetzen?
Die kanadische Stadt Toronto überlegt gerade, es der Google-Tochter „Sidewalk Labs“ zu überlassen, einen neuen Stadtteil zu entwickeln. Das Areal soll „Laboratorium des urbanen Lebens“ werden. Die Stadt wird dann mit Sensoren vollgeknallt und dann schaut Google mal, was es mit den Daten macht.
Den Gegenentwurf dazu bietet Barcelona. Dort werden nicht nur alle digitalen Angebote von den Bürgerinnen und Bürger her gedacht – sie werden bei ihrer Entwicklung eingebunden und die Stadtverwaltung achtet darauf, dass alles, was entwickelt wird, in der öffentlichen Hand bleibt. Dazu setzt Barcelona auf Open-Source und Open-Data.
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Beide Entwürfe für eine digitale Stadtgesellschaft sind nach dem Positionspapier möglich. Das aber ist die Frage, bei der es dem einen oder der anderen weh tun könnte.
Beim Glasfaserausbau hat sich die Stadt entschieden: Nicht das teilweise, kommunale Unternehmen KielNet sollte den Glasfaserausbau übernehmen, sondern der Telekom-Konzern. Heute sind wir in einer Situation, dass die Telekom einige Stadtteile mit vielen Wohnblocks mit Glasfaser versorgt und alle anderen Stadtteile müssen mit Kupferkabeln auskommen. Im Ergebnis ist der schnellste Anschluss, den ich hier bekommen kann 50 MBit, während man in Bordesholm bis zu 500 MBit bekommen kann. In Bordesholm wird das Glasfasernetz von den kommunalen Stadtwerken betrieben.
Deswegen sind die spannende Frage zum Beispiel:
- Setzt man weiterhin auf das grässliche, proprietäre ALLRIS oder wechselt man auf eine freie Software?
- Wer komplettiert den Glasfaserausbau in der Stadt? Hoffen wir weiterhin darauf, dass sich die Telekom erbarmt?
- Wenn die Arbeit der Verwaltung durch Chat-Bots unterstützt werden soll – kauft man die bei Avarto ein, überlässt man die Sache Google oder tut man sich mit anderen Kommunen zusammen und entwickelt man eine eigene, freie Lösung?
Man kann die Antworten auf die Wie?-Fragen auch aus dem „Warum?“ – aus den Werten – ableiten: Das Positionspapier spricht sich für einen starken Datenschutz aus – das schließt die eine oder andere Konzern-Lösung aus. Ich finde aber, dass das klar ausgesprochen werden muss, wenn das Papier ein Kompass sein soll.
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