Ich hätte es nicht geglaubt, wenn mir 2010 jemand gesagt hätte, dass wir mal einen Ministerpräsidenten haben würden, der von BarCamps und Freifunk spricht und dabei klingt, als wüsste er, wovon er redet. Torsten Albig hat das in der letzten Woche im Landtag getan.
Von „Datenautobahnen“ und „rechtsfreien Räumen“
Erinnert ihr Euch noch an die Zeit, als man Politikern einfach nicht zuhören konnte, wenn sie vom Internet gesprochen haben, weil man sich zu sehr fremdgeschämt hat? Dann gab es ab 2009 die ersten Bundestagsabgeordneten, die jung genug waren, um da ein wenig Ahnung in die Diskussionen zu bringen. Inzwischen kommt um das Thema niemand mehr von Rang und Namen herum. Allerdings gibt es Unterschiede im Umgang, wenn man genauer hinschaut: Während die einen das Thema eher dulden und so nebenher laufen lassen, weil sie wissen, dass sie es ohnehin nicht aufhalten können, packen die anderen zu und versuchen zu gestalten.
Ich glaube es ist wichtig, dass die Digitalisierung nicht einfach so mit läuft, sondern dass sich Regierung und Verwaltung einmal strukturiert vor Augen führen, was das alles umfasst und was der eigene Beitrag dazu sein kann und sein muss. Ich finde es ist eine Stärke von Torsten Albig und seiner Regierung, nicht alles in der Verwaltung auszuklügeln, sondern möglichst auch die Zivilgesellschaft einzubinden. Die haben sich nicht einfach im Bildungsministerium ein neues Schulgesetz ausgedacht, sondern über mehrere Runden mit Eltern, Schülern und Lehrern diskutiert.
Unterschied in der Politik
Es geht nämlich nicht darum, einfach nur den besten Fünf-Jahresplan zu haben. Es geht darum, das sich möglich viele Menschen aus den betroffenen Bereichen damit befassen. Es geht darum externe Expertise aus der Gesellschaft zu holen und die Menschen zum Teil des Plans zu machen, weil dieser Plan ihr Leben betrifft.
Ich finde, das ist auch ein ganz klarer Unterschied zum Angebot der CDU, wenn deren Spitzenkandidat sagt, dass die Digitale Agenda an die Anfang der Wahlperiode gehört hätte: „In der nächsten CDU-geführten Landesregierung werden wir am Anfang erklären, was wir machen wollen. Und dann wird gehandelt.“ Der will offenbar niemanden fragen, sondern einfach so machen – aus eigener Weisheit. So versteh ich das jedenfalls.
Wenn man allerdings genauer hinschaut, hat Torsten Albig in seiner allerersten Regierungserklärung ebenfalls erklärt, was er machen will und es seither gemacht:
„Wir müssen die Bürgerinnen und Bürgern wieder davon überzeugen: Deine Meinung interessiert uns. Deine Stimme kann etwas bewegen. Du bist Mitgestalter und Mitentscheiderin. Du bist Subjekt und nicht Objekt von politischen Prozessen. Aber wir müssen auch genauso klar sagen: Du kannst nicht erwarten, dass Du mit Deiner Meinung eins zu eins durchkommst. Denn zur Demokratie gehört auch, dass Dein Interesse dort an eine Grenze stößt, wo ein anderes berechtigtes Interesse formuliert wird. Ja, ich bin für Beteiligung. Eine Beteiligung, die das Gelingen und nicht nur das Scheitern will. Eine Beteiligung, die ihre Verantwortung kennt und nicht in die Verantwortungslosigkeit flüchtet. Eine Beteiligung, die die Entscheidung vorbereitet und nicht sie unmöglich machen will. Meine Regierung wird Entscheidungen treffen. Entscheidungen, die gut, fair und transparent vorbereitet werden, Entscheidungen, die wir erklären und verantworten. Für die aber nicht gelten wird, dass jeder sie akzeptieren muss. Der Weg zur Entscheidung hin muss akzeptiert werden – das ist die Bedeutung von guter Bürger-Beteiligung!“
Ich möchte mal loben: Ich finde, dass die Arbeit an der Digitalen Agenda richtig großartig war. Ich war da nun nicht zu den Experten-Runden eingeladen. Aber die Präsenz beim WebMontag, beim Open-Data-Hackathon und bei den BarCamps fand ich wirklich gelungen. Jörg Nickel aus der Staatskanzlei, Chef der Staatskanzlei Thomas Losse-Müller und Landes-CIO Sven Thomsen haben das wirklich gut gemacht. „Das Gespräch auf Augenhöhe“ ist so eine Floskel. Ich finde, die waren einfach Teilnehmer wie alle anderen und man kann mit ihnen diskutieren, wie mit jedem anderen.
Durch diesen langen Prozess ist die Digitale Agenda mehr als die PDF-Seiten, die man sich herunterladen kann. Die Regierung war hier Akteur und hat selbst Steine ins Rollen gebracht. Ich wette, während der USA-Reise ist ein neues Netzwerk entstanden. Zumindest entsteht als ein Ergebnis das Schleswig-Holstein Quartier der Digital Media Women und es gibt eine Facebook-Selbsthilfegruppe für von Digitalisierung Betroffene.
Der Dialog zur Digitalen Agenda war nicht nur ein Spiegel für das, was die Landesverwaltung macht und ein Plan für die nächsten Jahre. Es war zusätzlich ein Spiegel für all die Innovation, die schon in Schleswig-Holstein steckt. Die kannten offenbar auch viele der Akteure nicht. Das gibt buchstäblich Selbstbewusstsein.
Schreibe einen Kommentar