Bis zu einem Viertel falscher Aussagen bei einzelnen Politikern haben Studierende der Kölner Journalistenschule in einer Analyse von Talkshow-Auftritten gefunden. Sie haben sich von sieben Politikern bei vier Talkshows 700 dokumentierte Aussagen näher angeschaut. Beim CDU-Politiker Armin Laschet haben sie nur 6,5 % falscher Aussagen feststellen können – bei AfD-Frontfrau Frauke Petry ganze 26,3 %. Das bestätigt die Klischees – ganz so einfach ist das aber nicht.
Das Problem an dem Faktenzoom ist, dass er alle Falschaussagen auf die gleiche Stufe stellt. Wenn Thomas Oppermann sagt „Seit Sigmar Gabriel Parteivorsitzender ist, hat die SPD fast alle Landtagswahlen gewonnen.“ und die Studierenden dagegen halten: „Seit Sigmar Gabriel Parteivorsitzender ist, hat die SPD nur bei zehn von 21 Landtagswahlen die meisten Stimmen bekommen.“ dann legen die offenbar andere Kriterien an als Thomas Oppermann. Beispiel: In Schleswig-Holstein hat die SPD mit 30,4 % der Stimmen 0,4 %-Punkte hinter der CDU gelegen, stellt aber trotzdem die Regierung. Fragt man Jost de Jager, ob der sich wie ein Wahlsieger fühlt.
In Niedersachsen lagt die SPD 3,4 %-Punkte hinter der CDU, stellt aber die Regierung.
Zur Zeit der Aussage war die SPD an 14 Landesregierungen beteiligt – soweit ich das überblicke.
Wenn man das Kriterium „Höchstes Wahlergebnis“ für einen Wahlsieg ansetzt, dann hätten die Grünen erst einen Wahlsieg oberhalb der kommunalen Ebene gehabt: In diesem Jahr in Baden-Württemberg. Sonst haben die alle Wahlen verloren? Die FDP hat dann noch nie eine Wahl gewonnen?
Es heißt immer ironisch, dass es nach einer Wahl nur Sieger gibt. So ganz falsch ist das nicht. Der eine wird Ministerpräsident, ohne das beste Ergebnis zu haben, der andere erreicht sein Ziel der 5 %-Hürde. Eine Partei gewinnt 2 %-Punkte dazu, die andere verliert weniger als es der Bundestrend prognostiziert hat. Und selbst bei Parteien, die verloren haben, gibt es Abgeordnete, die das erste mal in Parlament einziehen und sich wie Sieger fühlen.
Wenn Christian Lindern sagt „Zeitarbeit steht Flüchtlingen in Deutschland nicht zur Verfügung.“ – weiß der das vielleicht gerade nicht besser? Ist das dann eine Falschaussage oder ein Irrtum? Gibt es da gar keinen Unterschied?
Bei Frauke Petry sind die Studierenden leider nicht einmal präzise bei dem Zitat – man kann es ja hören. Sie sagt sinngemäß „AUS den Parteien wir eine Obergrenze gefordert“. Die Studierenden haben recht, dass die Parteien diese Forderung nicht haben. Frauke Petry hat aber recht, dass es auch in anderen Parteien Politiker gab, die eine Obergrenze gefordert haben. Bei den Grünen war das zum Beispiel Boris Palmer. Das Problem an ihrer Aussage ist also nicht, dass sie faktisch falsch ist, sondern dass sie die Position ihrer Partei gleichsetzt mit Einzelmeinungen in anderen Parteien.
In den Kommentaren schreiben die Studierenden: „Wir sprechen explizit von einem ‚Projekt’ und nicht von einer ‚Studie’ mit wissenschaftlichem Anspruch, dafür ist zum Beispiel unsere Datenbasis sicherlich zu klein.“ – Dafür ist die Präsentation mit der eigenen Homepage umso größer und erweckt einen anderen Eindruck. Man kann komplexe Zusammenhänge auf einfache Prozentzahlen herunter brechen. Man muss dann aber damit leben, dass die Leute sich nur für die Rangliste interessieren. Welchen Informationswert hat das noch?
Und: In der Politik sind gerade die Fragen interessant, die man nicht objektiv entscheiden kann.
Links
- via DRadio Wissen: Erschreckend viele Falschaussagen
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