Am Wochenende hat der „Presseclub“ über Google diskutiert: „Wie gefährlich ist Googles Weg zur Weltmacht?“ (Download als MP3) Für einen derart kritischen Titel war die Runde extrem unkritisch. Leider hat sie es auch am Ende nicht mehr hinbekommen, die diskussionswürdigen Fragen vernünftig zu sortieren.
Im Presseclub haben der freier Journalist Philip Banse, Miriam Meckel von der Wirtschaftswoche, der Blogger Mario Sixtus und die Ex-Piratenchefin Marina Weisband diskutiert. Die meiste Zeit aber waren alle damit beschäftigt, Google in Schutz zu nehmen. Dazu beschrieben alle Teilnehmer die „Digitale Revolution“ als vorbestimmten Prozess. Dabei kann man mit annähernd 100%-iger Wahrscheinlichkeit sagen, dass es anders kommt.
Mir fehlte eine vernünftige Struktur in der Diskussion, denn an einer Stelle sagt Mario Sixtus etwas sehr Richtiges. Sinngemäß sagte er: „Wer heute seiner Angst vor der Digitalierung Ausdruck verliehen will, kritisiert Google.“ Es heißt aber nicht, dass es nichts zu kritisieren geben. Das kam mir zu kurz.
„Daten sind das neue Öl“
Bei allem, was wir über den Umgang des Menschen mit seinen Rohstoffen wissen, müsste die Metapher „Daten sind das neue Öl“ schwerwiegende Fragen aufwerfen.
Zum Einen ist der Kampf um Ressourcen immer besonders rücksichtslos. In der Vergangenheit haben diese Kämpfe meistens damit geendet, dass die Umwelt vernichtet und die Einheimischen getötet, vertrieben, entrechtet und verarmt waren.
Zum Anderen geht es diesmal nicht um Naturressourcen. Es geht um uns Menschen. Wir sind dieser Rohstoff der Zukunft. Unser Verhalten wird kommerziell ausgenutzt. Die Unternehmen haben mehr davon, wenn wir uns so verhalten, dass sie es noch besser kommerziell nutzen können. Also besteht ein Interesse daran, unser Verhalten zu verändern.
Die Wirtschaft neigt ohnehin zu Monopolen, weil sie das Wirtschaften so schön einfach machen. Bei digitalen Angeboten ist diese Neigung noch stärker, weil es eine weitreichende Angebotstransparenz gibt und Anbieter global agieren. Wenn es ein Angebot gibt, dass weltweit das beste ist, gibt es wenig Gründe, das nicht zu nutzen.
Es geht heute nicht mehr um Marktanteile und um Marktführerschaft. Wir haben zur Zeit eine Marktordnung, die nach dem Highlander-Prinzip funktioniert: „Es kann nur einen geben.“ Wir können das gerade aus nächster Nähe beobachten: Im deutschen Fastfood-Markt gibt es seit Jahren einen Konkurrenzkampf, in dem nur noch zwei nennenswerte Konkurrenten: Lieferhelf und Lieferando. Jitse Groen, Chef von Lieferando erklärt: „Im Lieferdienst-Geschäft werden Sie nur dann hohe Profite einfahren, wenn Sie den Markt beherrschen – also ganz klar die Nummer eins sind. Als Nummer zwei verdienen Sie fast gar nichts.“
Gleichzeitig profitieren viele Angebote vom Netzwerkeffekt. Sie werden besser, wenn es mehr Leute nutzen. Eine zusätzliche Beschleunigung. Ich finde die Tatsache, dass jetzt Video-Anteile zwischen Youtube und Facebook verschoben werden, widerlegt das nicht. Auch wenn das bei Mario Sixtus so klingen sollte.
Das ist aber nichts, was man Google vorwerfen kann. Die agieren nur auf diesem Markt. Die US-Marktwächter sind offenbar daran interessiert, dass das so läuft. Zum Einen könnte sonst ein ausländischer Konzern größer werden und die US-Akteure aufkaufen oder ausschauten. Zum Anderen lässt sich die Bevölkerung besser überwachen, wenn sich die Behörden mit einer relativ homogenen Netzstruktur beschäftigen müssen.
Digitalisierung wie sie zurzeit läuft ist nicht alternativlos…
Anders als es in der Diskussion durchklingt ist die Digitalisierung nicht so vorherbestimmt, wie sie zu sein scheint. Wir erleben nur die neoliberalste Form. Eine der Ideen von „Web 2.0“ vor einigen Jahren war es, dass Dienste über APIs geöffnet sind. Damals basierte das Netz noch weitestgehend auf offenen Standards: Jeder konnte im Prinzip einen Webserver betreiben oder einen Mail- oder Chat-Dienst.
…und das ist keine Maschinenstürmerei
In den 1990er Jahren haben wir den Telekommunikationsmarkt liberalisiert und das Fernmeldeamt gezwungen, dass auch anderen Anbieter ihre Leitungen nutzen konnten. Das Internet hatte dann versprochen, dass es diese Art Monopol, wie es die Deutsche Post noch hatte, nicht mehr geben könnte, weil alles auf offenen Diensten basieren sollte.
Heute lassen wir zu, dass Whatsapp keine offene Schnittstelle hat. Wir lassen zu, dass Facebook keinen Zugang für andere Dienste bietet. Wir lassen zu, dass es Dienste gibt, die nur über eine App für maximal drei mobile Betriebssysteme funktionieren.
Datenschutz = Schutz vor mächtigen Interessen
Natürlich ist Datenschutz kein überkommenes Konzept aus den 1970ern, wie Mario Sixtus behauptet. Denn Post-Privacy ist keine Alternative. Die Tatsache, dass alles öffentlich ist, schließt nicht aus, dass Organisationen mehr über dich wissen, als Du selbst. Es geht beim Datenschutz nicht darum Daten zu schützen. Es geht nicht um die Sensordaten von irgendwelchen Ventilklappen. Es geht darum, dass die Menschen ihr Leben unter Kontrolle behalten.
Aber vielleicht haben Mario Sixtus und ich einfach eine unterschiedliche Vorstellung von Freiheit und dem Guten Leben. Der Mensch ist nicht dazu da, der Wirtschaft (als Rohstoff) zu dienen. Menschen sind der Zweck und nicht das Mittel. Computer sollen mich bei dem unterstützen, was ich machen möchte. Sie sollen mir nicht sagen, was ich möchten soll. Leider kommt Philip Banse nur am Ende und mit zwei Halbsätzen dazu, diese Fragen anzusprechen.
Ich bin davon überzeugt, dass ein anderes Internet möglich ist. Das wird es aber nicht geben, wenn man seine Energie damit verschwendet Konzerne und deren Interessen zu verteidigen.
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