Wohin wir zur Zeit schauen: Die Menschen kommen nicht gut miteinander zurecht. Das liegt zum Teil daran, dass sie auch nicht gut mit dem System zurecht kommen, das dafür sorgen soll, dass sie besser miteinander zurecht kommen. Im Kern liegt das daran, dass viele Menschen Fremdheit und Vielfalt als Gefahr und nicht als Bereicherung sehen. Wir haben eine Krise des politischen Systems, eine des medialen Systems und der Gesellschaft.
Andreas Zick vom Institut für Konflikt- und Gewaltforschung Bielefeld sagte in den Tagesthemen:
„Viele denken die Demokratie ist eigentlich eine Firma, die hat zu liefern. Wenn sie nicht liefert, dann kündigt man.“
In einer Diskussion mit einem Bekannten, der sich vermutlich für einen Demokraten hält, schlug er vor, dass nur noch alle 12 oder 16 Jahre gewählt werden sollte, damit so eine Regierung mal endlich konsequent ihr Programm durchziehe könnte. Es tut mir leid: eine Regierung, die keinerlei Kompromisse für ein bis zwei Jahrzehnte eingehen müsste, weil sie nie bedroht wäre, abgewählt zu werden, die möchte ich mir lieber gar nicht vorstellen. Egal wer sie stellen würde. Und mit Demokratie hätte das auch nichts mehr zu tun.
Warum ist es so schlimm, wenn immer wieder darum gerungen wird, wie unsere Gesellschaft aussehen soll? Es gibt nicht den einen, richtigen Weg. Demokratie ist kein Unternehmen, sondern das Prinzip, mit dem wir unsere Gesellschaft organisieren. Unternehmen sind in der Regel nicht demokratisch. Ein Unternehmen kann damit leben, zum Beispiel ein Smartphone nur für bestimmte Menschen herzustellen. In der Demokratie müssen wir immer wieder Regeln aushandeln, die für alle Menschen gelten. Und deswegen sollten sich daran möglichst viele Menschen beteiligen.
Natürlich wird man selten eine Regel finden, mit der alle glücklich sind: Grenzen abschaffen? Oder Grenzen dichtmachen? Wir können uns darüber unterhalten und wir können uns gegenseitig überzeugen und und so einem Kompromiss nähern, mit dem viele Menschen gut leben können.
Und natürlich gibt es unterschiedliche Interessen. Eine Unternehmerin guckt auf ihr Unternehmen. Ein Hauseigentümer auf sein Haus. Und ein Arbeitsloser auf seine Arbeitslosigkeit. Das ist gut so, solange sich alle fair in die Prozesse einbringen.
Viele Menschen aber haben ein Problem damit. Sie meinen, dass sei unnützer Streit und „die Politik“ solle sich mal zusammenreißen und einfach das Richtige machen. Dabei dürften dann die Parteien aber nicht zu gleich sein, weil sonst macht das Wählen ja auch keinen Spaß.
Da liegt der Gedanke nicht fern, die Leute zu fürchten, die nicht so sind, wie man selbst. Schon innerhalb von Deutschland haben wir große Unterschiede. Was hab ich mit nem bayerischen Schützenkönig gemeinsam? Mir sind da ehrlich gesagt alle näher, die in Schleswig-Holstein wohnen – egal, wo ihre Großeltern mal herkamen.
Ich finde es großartig, dass Deutschland ein Land ist, in dem man keine Verfolgung fürchten muss – egal, wie man lebt. Und es bereichert mein Leben, wenn ich sehen, was alles möglich ist. Vieles möchte ich nicht für mich selbst. Aber solange alle mit ihrem jeweilige Lebensstil zurecht kommen, kann ich daran kein Problem sehen.
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