Die Wellen schlagen hoch bei Amazon. Nach einer Reportage der ARD über die Arbeitsbedingungen bei dem Versandservice, beschweren sich Kunden vor allem über die Facebook-Seite von Amazon. Es gibt aber auch Stimmen, die das alles für scheinheilig halten. Die Verhältnisse bei Amazon seien nur Ergebnis der unkritischen Konsumhaltung der Kundschaft und im Übrigen sei es in China viel schlimmer. Das ist natürlich Quatsch.
Die gängige Argumentationslinie der Kritiker lässt sich in etwa mit dem Tweet von Wolfgang Unglaub zusammenfassen:
„Niedlich: Leute, die in Zalando-Schuhen und KiK-Jogginghose auf der IKEA-Couch mit dem iPhone kritische Berichte über Amazon schreiben…“
Natürlich haben Konsumenten eine Verantwortung. Denn es gibt drei Faktoren, die ethisches Verhalten in der Wirtschaft sicher stellen sollen:
- Gesetze
- Kritische Konsumentinnen und Konsumenten
- Unternehmen als Corporate Cititzen
Das ist ein System, das immer Lücken hat: Unternehmen haben oft zumindest kurzfristig Vorteile von unethischem Verhalten. Kunden wissen nicht immer alles und sie haben ihre eigenen Vorteile von unethischem Verhalten und die Gesetze laufen Problemen immer hinterher – ich habe das einmal in dem dem Artikel „Das moralische Dreieck“ beschrieben. Dort zitiere ich den Wirtschaftsethiker Peter Ulrich zum Thema „Wirtschaftsbürger“:
„Der Kern des republikanischen Wirtschaftsethos besteht in der prinzipiellen Bereitschaft des Bürgers, seine privaten Interessen nicht voraussetzungs– und rücksichtslos zu verfolgen, sondern den privaten Erfolg oder Vorteil nur unter der Bedingung seiner Legitimität im Lichte der Prinzipien einer wohlgeordneten Gesellschaft freier und gleicher Bürger erreichen zu wollen.“
Grundlage dafür ist aber die Information über die Produkte. Ich muss wissen, wie ein Produkt hergestellt und ausgeliefert wurde, um meine Entscheidungen treffen zu können. Bei Amazon waren bisher vor allem bekannt, was das Unternehmen auf ihren Produktseiten zur Verfügung stellt: Die Werbeinformationen zu den Produkten, der Preis und Kundenbewertungen, die sich aber auch direkt auf die Produkte bezogen. Auf Basis dieser Informationen war es oft sinnvoll, bei Amazon zu kaufen. Wenn Amazon darauf hingewiesen hätte, dass es dafür Menschen im Ausland shanghait, in Baracken sperrt, in Busse pfercht und von Nazis bewachen lässt, wären auch schon vorher Kunden zu anderen Entscheidungen gekommen.
Es ist nicht so, als hätte auch nur ein einziger Kunde von Amazon verlangt, scheiße zu seinen Mitarbeitern zu sein. Das war die freie Entscheidung des Unternehmens. Amazon hat sich dafür entschieden, die Mitarbeiter über Leiharbeitsfirmen zu engagieren und sich sonst nicht weiter zu kümmern. Wenn man Amazon damit durchkommen lässt, ist das strukturierte Verantwortungslosigkeit. Schuld wäre dann nur die kleinen Fische: Der Freizeitpark, der die Nazi-Aufseher engagiert hat. Und daran verdienen nur die großen: Amazon.
Nun konnte man auch vorher wissen, wes Geistes Kind dieser Konzern ist. Open-Source-Guru Richard Stallman sammelt schon länger Gründe, nicht bei Amazon zu kaufen. Aber erst die ARD Reportage hat einen Teil dieser Argumente für viele Menschen bekannt gemacht. Menschen sind komplexe Geschöpfe und Vernunft spielt in unseren Handlungen eine viel geringere Rolle, als wir oft meinen. Dazu kommt, das wir in einer komplexen Welt leben und viele Konsumentscheidungen nicht einfach sind, wenn wir die verschiedenen ethischen Aspekte abwägen müssen. Wir verdrängen diese Aspekte gelegentlich und wir ignorieren sie manchmal. Meistens aber kennen wir viele Fakten gar nicht. Und oft spielt das Geld einen limitierenden Faktor. Wenn man uns aber fragt, hätten wir gerne, dass niemand für unsere Produkte leiden muss und dass auch die Natur geschont wird. Eine inkonsequente Haltung ist besser als gar keine Haltung. Das ist der Auftrag für die Unternehmen.
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