Der durchschnittliche Schleswig-Holsteiner holt Forken und Fackeln aus dem Keller, wenn ihm jemand mit dem „Nordstaat“ kommt. Aber wie stehen wir tatsächlich zu unserer Doppeleiche?
Der Pinneberger bezeichnet sich als Hamburger. Der Elmshorner pendelt zur Arbeit nach Hamburg, der Eine fiebert mit dem HSV, der Andere mit St. Pauli. Und überhaupt wohnt man, wenn man ehrlich ist, nur im „Speckgürtel“, weil sich das Haus in Hamburg keiner leisten kann.
Der Flensburger will eigentlich lieber zu Dänemark gehören. Und Lübeck gehört mehr zur Hanse als zu Schleswig-Holstein. In Dithmarschen ist der Hoffnungsfunke auch nach 500 Jahren nicht erloschen, irgendwann wieder unabhängig zu werden. Und wir alle fahren am liebsten nach Dänemark, Schweden oder Norwegen in den Urlaub. Wer braucht schon Sonne?
Natürlich gehört zu dem Gefühl Schleswig-Holsteiner zu sein ist, das Bewusstsein, in dem herb-schönen Land zwischen den Meeren zu leben. Aber es gehört doch auch die gute Gewissheit dazu, dass die A7 einen schnell nach Hamburg und nach Dänemark bringen kann. Wir sind doch normalerweise gute Nachbarn!
Aber wehe, es kommt jemand und deutet an, dass man sich Verwaltung mit einem Nachbarn teilen könnte. Am Ende verlöre man doch vielleicht die Unabhängigkeit.
Sicher: Die HSH Nordbank ist nicht gerade das Aushängeschild länderübergreifender Kooperation – soweit mir bekannt ist, hat bisher niemand behauptet das habe etwas mit den Ländern oder der Kooperation zu tun. Und die Medienanstalt Hamburg-Schleswig-Holstein macht doch eine Arbeit, über die ich im Bus und auf der Straße wenig Klagen höre.
Warum kann man in jeder Behörde in Schleswig-Holstein einen Pass beantragen – egal wo man wohnt? Wenn man aber erst beim Check-In am Flughafen in Hamburg bemerkt, dass der Pass abgelaufen ist, kann man den nicht dort beantragen. Dann muss man erst über die „Grenze“ zum ersten Amt nach Schleswig-Holstein fahren.
Neulich bin ich in den Memoiren von Wilhelm Käber über eine Anekdote gestolpert: Käber war SPD Innenminister in der ersten gewählten Landesregierung. Er arbeitete 1949 mit Ministerpräsident Hermann Lüdemann (SPD) an der einer provisorischen Landesverfassung.
„Wir gingen davon aus, dass Schleswig-Holstein als Land auf Dauer kaum lebensfähig sein werde. Mit der Schaffung eines Landes Nordrhein-Westfalen durch die Briten schien uns das Gleichgewicht unter den Ländern der westlichen Zonen aus der Balance gebracht zu sein. Denn um optimal zu funktionieren, meinten wir, brauche ein Bundesstaat ein annäherndes Gleichgewicht seiner Glieder. Uns war bewusst, dass Schleswig-Holstein in seinen engen Grenzen und aufgrund seiner spezifischen Wirtschaftsstruktur auf Dauer dazu verurteilt sein würde, Kostgänger des Bundes und der anderen Bundesländer zu sein. Warum, so fragten er, sollte man sich mit den durch die Selbstständigkeit Schleswig-Holsteins als Bundesland hervorgerufenen Problemen lange herumquälen; es müsse in einem größeren Verband eingebracht werden, in dem es ein nützliches Glied sein könne. Ihm schwebte ein Land „Unterelbe“ vor, das Hamburg und Teile Niedersachsens am linken Elbufer mit umfasste. Aber damit hat er tauben Ohren gepredigt. Obwohl also eine konkrete Lösung dieses Problems nicht in Sicht war, meinten wir, über den Tag hinaus denken zu sollen. Wir gaben unserem Verfassungsentwurf den Zuschnitt einer vorrübergehenden Ordnung für das Provisorium Schleswig-Holstein innerhalb des Provisoriums Bundesrepublik.“ (aus: „Wilhelm Käber – Regierung und Opposition“ – Frank Lubowitz, 1986)
Erst die Regierung von Björn Engholm (SPD) hat 1990 im Zuge der umfassenden Parlamentsreformen nach der Barschel-Affäre das wohl dauerhafte Existieren des Landes anerkannt und eine echte Verfassung ausgearbeitet. Spätestens seit damals stehen wir da mit diesem seit seiner Gründung chronisch blanken Bundesland und unserem merkwürdigen Heimatgefühl.
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