Da bin ich einmal eine Woche im Urlaub, da startet Google den SocialMedia-Generalangriff. Bereits seit zwei Wochen gibt es Google+. Bisherige Versuche mit dem Twitter-Klon Google Buzz oder vielleicht auch mit der Kommunikations-Revolution Google Wave sind gescheitert. Nun sieht so aus, als könnte Google diesmal Erfolg haben.
Google+ funktioniert zunächst wie jedes andere Netzwerk: Anmelden, Profil ausfüllen, dann Kontakte suchen und fleißig das Feld „Was gibt’s Neues?“ mit interessanten Dingen füllen. Soweit so Facebook.
Im Unterschied aber zum Platzhirsch Facebook, kann man sich nicht nur im Freundeskreis austauschen, oder bestimmte Listen von Freunden mit exklusiven Beiträgen beglücken. Google+ kann man auch so öffentlich betreiben wie Twitter und so interessanten Menschen folgen, ohne dass die Beziehung bestätigt werden muss. Und genau dieser Umstand könnte Google+ zum Durchbruch verhelfen:
- Die Leute, die schon dort sind, finden genügend Leute, die Interessantes zur Verfügung stellen, ohne dass man sich gleich gegenseitig als Freunde bestätigen muss. Und die ganzen Großköpfe von Jeff Jarvis bis zum Lobo sind natürlich schon dabei. (BTW: Das geht bei Diaspora genauso. Wer dort nur nach den eigenen Bekannten sucht, wird sich langweilen – es gibt aber viele sehr aktive Leute dort, die man kennenlernen sollte.)
- Viele Menschen verfügen schon über einen Google-Account, weil sie eine personalisierte Suchseite wollten, Google Text ausprobieren, Google Groups nutzen oder als Webmaster die Webmastertools benutzen. Sie müssen dann nur klicken, dass sie auch bei Google+ dabei sein wollen. Die Hürde ist viel geringer als „jetzt muss ich mir auf der tausendsten Seite den tausendsten Zugang zulegen und mit noch ein Passwort merken.“
- Besitzer von Android-Telefonen haben sich ohnehin schon Google ausgeliefert. Wer schnell loslegen will mit seinem neuen Telefon überlasst alle Kontaktdaten Google Contacts. Und ich muss als Betroffener und Skeptiker zugeben: Es ist unglaublich praktisch, wenn man die Kontakte am Rechner bearbeiten kann und die dann automatisch auf auf dem Telefon und bei GMail und bei Google+ aktuell sind – oder bei Google Voice.
- Google+ könnte Herz eines Google Central werden, über das immer wieder gemunkelt wurde. Google hat bereits jetzt Google+ mit verschiedenen bestehenden Diensten verbunden. Den Chat gibt es zum Beispiel von Google Talk, die Fotos werden bei Picasa (demnächst „Google Photo“) gespeichert – mit allen Vorteilen und Features die diese Dienste an sich schon haben. Weitere Dienste werden Folgen. Und schon heute hat jeder Google+ Nutzer die wichtigsten Dienste ständig in der Menüleiste.
Tödlich dürfte Google+ für Twitter sein. Mich persönlich hat Twitter schon länger nicht mehr so richtig interessiert. Ich war da ohnehin hauptsächlich wegen der Leute die ich kenne. Für Unterhaltungen oder gar Diskussionen ist Twitter aber nicht geeignet. Eigentlich kann man dort nur kurz verkünden und lesen, was andere verkünden. Und mir gefällt die Art, wie man bei Facebook oder Google+ Links, Fotos und Videos teilen und „liken“ kann, viel besser.
Für Facebook ist Google+ eine echte Bedrohung. Natürlich hat Facebook eine riesigen Vorsprung, was Nutzer in der ganzen Welt betrifft. Aber das was Google potentiell an Features in der Hinterhand hat – all die Services, die es jetzt schon gibt, und die nach und nach intelligent integriert werden könnten, sind kaum zu überbieten.
Facebook hat nun in einer Kooperation mit Skype einen Video-Chat angekündigt. Das wird aber auch kein Killerfeature. Skype kann sich freuen, an die hunderte Millionen Facebook-Nutzer zu kommen. Und Microsoft kann sich freuen, dass sich dadurch der Skype-Einkauf gelohnt hat. Aber: Videotelefonie interessiert niemanden. Alle bisherigen Versuche, vom Videotelefon bis zu Apples Facetime sind nette Ideen, aber in der Breite angewendet werden sie nicht. Ob es nur daran liegt, dass es bisher niemand richtig gemacht hat, oder ob die Menschen Videotelefonie nur in sehr bestimmten Situationen mögen, kann ich nicht sagen.
Obwohl mich Google+ und vor allem die Google+Android-App begeistern, halte ich meine Kritik aufrecht: Es gibt keinen Wettbewerb im Internet. Es gibt nur sich ablösende Monopole, die bei jeder Runde schwieriger zu toppen sind. Ich muss zugeben in meinem Artikel „Wer kann mit Facebook konkurrieren?“ habe ich übersehen, dass es einige Kandidaten gibt, die das noch konnten. Das sind die Firmen, die schon jetzt genügend Rechenpower haben: Google und Amazon. Und Google hat eher die Bestandskunden, die sich auf ein Netzwerk einlassen. Rund ums Shopping eine Community aufzubauen, dürfte für Amazon ziemlich aussichtslos sein.
Links
- Homepage: Google+
Foto: secretgarden / photocase.com
Schreibe einen Kommentar