Joris Luyendijk war fünf Jahre lang Nahost-Korrespondent für verschiedene holländische Medien. Fünf Jahre lang hat er mit Steinewerfern und Terroristen, mit Taxifahrern und Professoren, mit Opfern, Tätern und deren Familien gesprochen. Er hat Diktatur, Terror und Krieg aus nächster Nähe beobachtet und das Dilemma des politischen Auslandsjournalismus erlebt. Fünf Jahre lang hat er versucht den Regeln des Journalismus gerecht zu werden und trotzdem etwas Echtes über die Menschen im Nahen Osten zu berichten. In „Wie im echten Leben“ fasst er seine Erfahrungen zusammen.
Das Buch öffnet die Augen für die Grenzen, an die Journalismus in den Diktaturen des Nahen Ostens oft stößt. Es macht klar, wie der Missbrauch von Begriffen wie „Parlament“, „Partei“ und „Präsident“ den Blick dafür verstellt, dass diese Regimes keinesfalls demokratisch sind und was Diktaturen eigentlich ausmacht. Und es erklärt, welche Auswirkung das auf die Berichterstattung hat: Es gibt keine Opposition, die die Regierung kritisiert und keine Umfragen, die die eine oder die andere Seite unterstützt. Vieles bleibt Mutmaßung.
Alles was ein Journalist unter den Bedingungen einer Diktatur einsammeln kann, sind Einzelmeinungen, die immer unter Verdacht stehen. Arbeitet der Gesprächspartner für den Geheimdienst? Sagt er etwas nur, weil er davon lebt, für den Westen als Regime-Kritiker zu dienen? Oft werden Ereignisse inszeniert.
Die Nachrichten machen die großen Nachrichtenagenturen, die Geschichten werden in den heimischen Redaktionen vorgeschrieben und die Korrespondenten vor Ort dienen fast nur dazu, die Nachricht vor authentischer Kulisse vorzutragen und einen O‑Ton zu finden. Und Nachrichten können nur Vorgänge sein, die belegbar sind und aus dem Alltäglichen herausstechen. Gerade aber das Alltägliche macht die Hinterhältigkeit der Diktaturen aus.
Trotz der thematisch oft schweren verdaulichen Kost ist „Wie im echten Leben“ spannend zu lesen.
Links
- Amazon: Joris Luyendijk – Wie im echten Leben
- Wikipedia: Joris Luyendijk
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