Clay Shirky zieht in „The Collapse of Complex Business Models“ eine Parallele zwischen Joseph Tainters Theorie zum Zusammenbruch komplexer Gesellschaften und dem Problem, das heute Medienunternehmen durch das Internet haben. Sein Fazit: Wenn die Branche nicht flexibler agiert, wird sie untergehen. Interessanterweise schlägt Cory Doctorow mit „Why I won’t buy an iPad (and think you shouldn’t, either)“ in eine ähnliche Kerbe.
Immer wieder sind in der Vergangenheit Hochkulturen zusammengebrochen: Die Mayas oder die Römer verfügten bereits über komplexe Gesellschaften – sie konnten sich diese Komplexität leisten, weil sie über ausreichend große Mengen an Ressourcen verfügten. Anfänglich sorgt die stärkere Organisation der Gesellschaft dafür, dass es einen zusätzlichen gesellschaftlichen Gewinn gibt. Irgendwann aber wird die Organisation so komplex, dass es keinen Gewinn mehr gibt. Die Organisation erhält sich nur noch selbst. Wenn es dann zu einem Problem kommt, bricht das System zusammen und hinterlässt Ruinen.
Medienunternehmen stehen jetzt an genau diesem Punkt: Ein hoch ausgefeiltes System hat in den vergangenen Jahrzehnten Medien auf höchstem Niveau generiert. Qualitätsjournalismus, Blockbuster Filme, Samstag-Abend-Shows… Doch dann kam das Internet und löste zum Beispiel das Problem der Distribution von Inhalten quasi zum Nulltarif.
Clay Shirky erinnert an die Medien-Leute, die heute vom klassischen Paid-Content sprechen und paraphrasiert ihre Ausagen:
„Web users will have to pay for what they watch and use, or else we will have to stop making content in the costly and complex way we have grown accustomed to making it. And we don’t know how to do that.“
Cory Doctorow sieht genau diese Hoffnung der Branche, die sich gerade auf das iPad stürzt:
„it really feels like the second coming of the CD-ROM „revolution“ in which „content“ people proclaimed that they were going to remake media by producing expensive (to make and to buy) products.“
iPad – schön anzuschauen
Das iPad ist ein Gerät zum passiven Konsum von vorgefertigten Inhalten. Es verfügt über keinen USB-Anschluss, über den man einfach auch eigene Inhalte teilen könnte. Man kann nicht einfach den MP3-Player eines Freundes anschließen und sich etwas Interessantes vorspielen. Es gibt nur zwei Wege: Den Weg durch den App-Store, in dem Apple kontrolliert, was wer anbietet und wer wofür wie viel Geld bekommt. Und es gibt den Weg durch das Internet. Doch selbst hier ist nicht alles möglich: Komplexere Anwendungen, die im Netz oft per Flash angeboten werden, sind nicht möglich, weil das iPad Flash nicht unterstützt – ein einfacher und durchsichtiger Weg, sich eines Konkurrenten für den App-Store zu entledigen.
Auf dem iPod ist dieses geschlossene System noch nicht aufgefallen: Ein Gerät zum Abspielen von Musik – was will man mehr? Auf dem iPhone wurde es schon offensichtlicher: Dieses Gerät kann so Vieles, warum kann ich damit nicht machen, was ich will? Warum wird mir durch Apple vorgeschrieben, was ich installieren kann und was nicht?
Jetzt, da das iPad in eine Nische zwischen Netbooks, eBook-Readern und Smartphones will, ist es klar: Man hat einen vollwertigen Computer in der Hand, mit dem man nur machen kann, was verschiedene Firmen zulassen. Do-it-Yourself ist nicht gefragt: Das iPad verfügt nicht einmal über eine Kamera und dank des fehlenden USB-Anschlusses über keine Möglichkeit, Bilder ins Internet (Facebook, Flickr) zu bekommen – der wirklich einfachsten Form des Mitmachens.
Das iPad verspricht eine Gnadenfrist
Wenn sich jetzt viele Medienunternehmen begeistert auf das iPad stürzen und eigene Apps produzieren, liegt das nicht daran, dass das Gerät so tolle, neue Möglichkeiten bietet, sondern daran, dass es die alten Geschäftsmodelle unterstützt. Als in den 1960er Jahren auf den Dieselloks kein Heizer mehr gebraucht wurde, fuhr trotzdem noch ein sogenannter „Beimann“ als zweite Person mit – 1996 wurde dieser Job dann ganz abgeschafft.
Foto: uomo / photocase.com
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