GHvC Pressemeldung: In den letzten Wochen wurde ein Thema zunehmend in den Medien diskutiert und auch auf der diesjährigen Popkomm haben verschiedene Musiker und Musikschaffende eine gewisse Maßnahme explizit gefordert: eine Quote für deutsche Musik im Radio.
Hier mal etwas Grundsätzliches zu unserem Musikverständnis: Bei Musik geht es uns um Kunst! Kunst sollte man weder verordnen noch forcieren. Kunst geht ihre eigenen Wege.Antje Vollmer, kulturpolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion fordert eine Deutsche Radio Quote weil sie glaubt, es würde junge, innovative Musiker hierzulande fördern. Antje Vollmer zum Spiegel Online:
„Aber gerade fortschrittliche Menschen müssen doch darauf setzen, dass die Musiker, die in einem bestimmten Land und einer bestimmten Kultur leben, sich spezifisch mit den Eigenheiten dieser Kultur und ihrer eigenen Gesellschaft auseinandersetzen. Ich kann natürlich Madonna oder Sting hören, aber die werden nie einen Song schreiben, der sich kritisch mit dem auseinandersetzt, was in Deutschland geschieht.“
Einer überschaubaren Anzahl von kleinen Bands würde eine Quotierung sicherlich helfen mehr Aufmerksamkeit zu erlangen. Allerdings glauben wir, dass in erster Linie die etablierten Bands von einer Quotierung profitieren würden. Das Beispiel Frankreich (das ja von den Befürwortern der Quote immer wieder als Beispiel wie es gehen kann herangeführt wird, dort werden zu 40% nur französische Titel gespielt) zeigt, dass dort auch in erster Linie die etablierten Künstler von einer Quote profitieren. Frau Vollmers Sichtweise könnte man als ziemlich naiv bezeichnen. Denn es ist zu erwarten, dass Radiosender keineswegs junge, fortschrittliche Künstler fördern werden, die in ihrer Musik wichtige Eigenheiten oder politische und kulturelle Aspekte der Gesellschaft reflektieren oder zum Ausdruck bringen. Unserer Einschätzung nach wird nach einer Quotierung so einem Deutschrock-Einheitsbrei a la BAP oder Kunze wieder vermehrt öffentliches Interesse geschenkt, das ihm (dem Einheitsbrei) in den letzten Jahren wegen mangelnder Qualität zu Recht entzogen wurde. Es ist stark zu bezweifeln, dass Radios auf einmal mehr Interesse an neuen Künstlern haben werden oder davon Abstand nehmen, die übliche Unterhaltungsdudelei zu spielen. Denn wer glaubt, wir würden auf einmal mehr von Künstlern wie the Notwist, the Robocop Kraus, Tocotronic, Slut oder Fanny van Dannen hören wird dann wohl durch die Rotationen von abgehalfterten Unterhaltungsmusikern eines besseren belehrt. Daran würde auch eine „Aktualitäts-Quote“ (z.B. wenn die Hälfte innerhalb der Deutsch – Quote Neuerscheinungen aus den letzten 6 Monaten sein müssten) nichts ändern. Denn es würde selbstverständlich einen Boom von Neuveröffentlichungen der etablierten Musiker geben. Anstatt Lionel Richie, Chris de Burg, Shania Twain, the Corrs, Brian Adams und Robbie Williams bekommen wir dann einfach was von Udo Jürgens, Wolfgang Petry, Peter Maffay, Pur und Udo Lindenberg auf die Ohren.
Wir können den Vorwurf der Befürworter der Quote schon verstehen, wenn sie sagen, dass die öffentlich-rechtlichen Sender in keiner Weise ihrem kulturellen Auftrag (musikalische Vielfalt präsentieren) nachkommen. Allgemeine Einigkeit herrscht auch – bei allen Menschen mit Ohren – darüber, dass die hiesige Radiolandschaft die Hölle ist. Wenn die Kampagne heißen würde „Verdammt, ich würde endlich mal wieder gerne schmerzfrei Radio hören können in Deutschland“, dann würden wir vielleicht sogar mitmachen. Aber sie heißt „ wir wollen deutsche Musik egal von wem, für ein deutsches Radio“. Das zeigt schon diese seltsame Liste von Unterzeichnern einer Deutsch-Radio Quote Forderung von Jimi Rakete. Für die meisten Unterzeichner dieser Liste heißt die Kampagne aber eher „Geil, endlich könnte ich noch mehr GEMA Kohle bekommen!“
Wir fragen uns wirklich wo die musikalische Vielfalt präsentiert wird, nachdem eine Quote zugunsten deutschsprachiger Musik eingeführt ist. Was ist denn mit der „interessanten“ und „spannenden“ Musik aus Island, Jamaika, England oder Japan ? Und an dieser Stelle wird die Forderung nach einer Quote zu einem stumpfen Lobbyismus. Im Grunde ist es doch so: Eine durch Umsatzschwäche und Abzockerdeals gebeutelte Musikerschaft blickt nach Frankreich, will dass die Verhältnisse dort auch in Deutschland Einzug halten und denkt: dann wird alles gut.
Wir mit dem Grand Hotel van Cleef würden eher eine Independent-Quote vorschlagen. In jedem Land gibt es zu jeder Zeit bestimmte Independent-Produktionen die in ihren Ländern Aufsehen erregen und es sogar in die Charts schaffen. Die Aufgabe der Programmgestalter wäre es, diese Musik zu entdecken , Hintergründe zu liefern und diese Musik geschmackvoll zu präsentieren. Da die Programmgestalter so eine Arbeit nicht von alleine machen (vermutlich weil sie faul und bequem sind) gäbe es hierfür dann eine Quote. Vielleicht nicht 40% aber doch so, dass man solche Musik wahrnimmt.
Aber wir bekommen dann natürlich zu hören: „Dafür gibt es doch schon die jeweiligen öffentlich-rechtlichen Kulturkanäle (bei uns NDR4)“ oder „ Das will doch keiner hören“. Und da wir keine Lobby haben lassen wir das mit unseren Forderungen. Also hören wir weiter Lionel Ritchie, und nach Einführung der Quote , Wolfgang Petry.
Letztendlich enthält die Forderung nach einer Musikquote einen fürchterlichen Beigeschmack, den der Deutschtümelei. Es ist schon klar, dass die Musiker, die nach der Deutschquote schreien keine nationalistischen Motive haben, sie haben eher ausschliesslich finanzielle Absichten und die Hoffnung, dass Ihre Musik durch Zwang noch mehr Gehör findet.
Eine Deutsch Quote würde die Verdeutschung des Rundfunks bedeuten. Wir halten internationale kulturelle Vielfalt für äusserst wichtig, in jedem Land. Aus welchem Land gute Musik kommt ist doch nur Zufall. Und ob sie aus den USA, aus Japan, oder Indien stammt ist uns egal, wir wollen Musik, Musik, Musik.
Zu guter Letzt möchten wir noch erwähnen, dass bei uns fünf von sieben Bands auch aus Deutschland kommen und vier auf deutsch singen (und wir deswegen sogar evtl. auch einen kleinen finanziellen Nutzen aus der Quote ziehen würden). Das ist zum Glück aber alles andere als Absicht, denn diese fünf Bands kommen zufällig auch alle aus Hamburg und es hat sich einfach so ergeben. Mehr nicht.
Musik ist Musik, egal in welcher Sprache gesungen wird oder aus welchem Land die Musiker kommen. Und nur weil wir zufällig Deutsche sind, die in Deutschland wohnen, heisst das noch lange nicht, dass wir deswegen auch ein erhöhtes Interesse daran haben, dass besonders viel deutsche Musik im Radio läuft.
Links:
http://www.ghvc.de
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