Am 22. Mai hat das D64 – Zentrum für Digitale Fortschritt seine Kampagne für „Freie Lehrmittel“ gestartet. D64 setzt sich damit für eine Debatte über die Chancen und Herausforderungen einer Neuordnung der Bereitstellung von Lehr- und Lernunterlagen ein, die das Potential digitaler Technologien für offeneren und freien Zugang ausschöpfen. Ein sinnvoller und zukunftsweisender Ansatz, der meiner Meinung nach aber auch im Zusammenhang mit dem Einsatz Freier Software und dem Verständnis der technischen Welt gedacht werden sollte.
Schule hat den Auftrag, grob gesagt Kinder zu freien Menschen in der Gesellschaft zu erziehen (Sozialisation) und ihnen bestimmte Fähigkeiten mitzugeben (Qualifikation). Und Schule verändert sich. Schule wird immer mehr digitalisiert. D.h. Kinder werden immer häufiger mit Computer in verschiedensten Formen in Berührung kommen und Lehrerinnen und Lehrer werden mit mehr digitalen Lehrmitteln arbeiten. Es geht also nicht mehr um den Computerraum, in den man in der Oberstufe einmal in der Woche für zwei Stunden geht, um irgendwas mit Excel oder Turbo Pascal zu machen. Es geht darum, dass Computer in der Schule allgegenwärtig sein werden.
Schon heute tauschen sich Lehrerinnen und Lehrer über das Internet aus. Sie teilen Unterrichtsvorbereitungen und helfen sich bei der Verbesserung.
Das Internet verändert die Arbeitswelt und damit die Anforderungen an die Qualifikationen, die Schule leisten muss. Arbeit wird vernetzter und kooperativer. Auch ist es nicht mehr so, dass „Kenntnisse in Microsoft Office“ reichen. Auch die Arbeitswelt wird hier diverser und die Tools verändern sich.
Die Lebenswelten von Schülerinnen und Schülern ändern sich: Auch sie sind heute rund um die Uhr vernetzt und sie teilen Lösungen für Hausaufgaben per Instant Messenger oder fragen per Facebook nach Hilfe.
Nun ist ein wichtiges Element Freier Software ist der Community-Gedanke: Gemeinsam schafft man etwas, was Anderen wiederum nützlich ist. Das passt zum Sozialisation-Auftrag der Schulen und es kommt der Arbeitsweise von Schülern und Lehrern entgegen. Zusammen könnte man erarbeiten, wie man Software-Probleme erkennt, meldet, gemeinschaftlich löst und die Ergebnisse wieder zur Verfügung stellt. Mit dieser Fähigkeit können dann auch die Lehrerinnen und Lehrer ihre Lehrmittel teilen, anpassen und verbessern, wie es D64 gerade vorschlägt.
Heute morgen habe ich dazu noch einen interessanten Artikel von einem Jungunternehmer gelesen, der eine Art GitHub für digitale Lehrmittel entwickelt:
„Teachers around the U.S. and the world are asked to teach from a checklist,“ Simons said. „They’re asked to teach the exact same thing…and they’re all going and creating their own lessons. What we’ve built is almost a GitHub for teacher lessons. They can fork someone else’s lesson plan and use that as a springboard.“
Genau so etwas wäre eine Einrichtung, die ein Bundesland anbieten könnte – idealerweise vernetzt mit anderen Bundesländern: Ein Fundus von Lehrmitteln. Digitale und unter freier Lizenz zusammengestellt entlang des Lehrplans. Lehrkräfte können sich ihre Lektionen „forken“, anpassen und ihre Anpassungen wieder zurück spiegeln. Und natürlich können Lehrerinnen und Lehrer das: Sie haben ihr Fach studiert, beschäftigen sich damit jeden Tag und sie müssen sich ihre Materialien ohnehin immer wieder anpassen.
Ein zweites wichtiges Element Freier Software ist das Lernen. Durch den frei verfügbaren Quelltext und die Möglichkeit Programme selbst zu verändern, soll man einen Einblick in die Funktionsweise bekommen. In einer immer stärker von Algorithmen bestimmten Welt ist es wichtig, dass Menschen Software nicht nur bedienen können, sondern auch ein Grundverständnis davon haben, wie Software zustanden kommt und wie sie funktioniert. Ich bin damit auch wieder beim Thema „Programmiersprache als Zweite Fremdsprache“.
Wenn man die Prinzipien von Software verstehen will, kann man das sicher auch mit Proprietärer Software machen: Wie man einen längeren Text mit einer Textverarbeitung vernünftig strukturiert, kann man auch mit Microsoft Word lernen. Muss man aber nicht. Das geht auch mit anderen Programmen. Und Word ist letztlich heute nur so weit verbreitet, weil Microsoft schon lange den Markt dominiert hat, Schulen und Unis mit billigen Lizenz beschenkt und sich so auch weiterhin diese Marktposition sichert. Ich weiß nicht, ob Schule das unterstützen muss.
Das heißt natürlich nicht, dass zum Beispiel auch die Frankiersoftware im Sekretariat unbedingt frei sein muss…
Links
Foto: John Chevier / Creative-Commons
Schreibe einen Kommentar